Pharisäer und Zöllner

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Textdaten
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Autor: J.
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Titel: Pharisäer und Zöllner
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 6, S. 93, 104
Herausgeber: Ernst Ziel
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1884
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[93]

Pharisäer und Zöllner.
Nach einem Oelgemälde von Moritz Röbbecke.

[104] Pharisäer und Zöllner. (Illustration S. 93.) Der Gegenstand ist wahrlich nicht neu, den das Bild von Moritz Röbbecke uns vorführt. Und dennoch fesselt diese Darstellung des Hochmuths und der Demuth unsere Aufmerksamkeit und fordert zum Nachdenken heraus. Die meisterhafte Figur des stolzen Pharisäers allein bewirkt dies keineswegs. In dem Bilde finden wir überhaupt etwas Neues, Ungewohntes. Wir kennen Alle jenes biblische Gleichniß, aber die beiden Gestalten hat sich unsere Phantasie wohl in einer andern Situation gedacht. Der Pharisäer und der Zöllner standen ja betend in dem Tempel, hier ist der Maler von dem biblischen Texte abgewichen. Diese Abweichung ist jedoch ein sehr glücklicher Kunstgriff des Künstlers, durch den allein es ihm möglich geworden ist, dem Gegensatze der beiden Charaktere den schärfsten Ausdruck zu verleihen.

In dem Gleichnisse, welches dem Maler als Anregung diente, ist das charakteristische Merkmal der beiden Gegensätze in den Worten der Gebete zu finden. Dem Gebete des Pharisäers: „Ich danke Dir, Gott, daß ich nicht bin wie die anderen Leute, Räuber, Ungerechte, Ehebrecher oder auch wie dieser Zöllner; ich faste zweimal in der Woche und gebe den Zehnten von Allem, das ich habe,“ sind die schlichten Worte des Zöllners: „Gott, sei mir Sünder gnädig“ entgegengestellt. Diese Worte oder Gedanken konnte der Maler nicht wiedergeben. Die Demuth war wohl durch die Haltung des betenden Zöllners zu charakterisiren, aber ein hochmütig betender Pharisäer müßte zu einer unwahrscheinlichen Figur, zur Carricatur werden. Darum suchte der Künstler das Uebermaß des Hochmuths durch eine entsprechende Handlung auszudrücken.

Dies ist ihm in der That trefflich gelungen. Wir brauchen nur einen Blick auf den Mann zu werfen, der mit diesem Gesichtsausdruck das Almosen für die Armen spendet, um zu wissen, weß Geistes Kind er ist. Von diesem Standpunkte aus finden wir das Ungewohnte in unserem Bilde durchaus natürlich, die Abweichung durchaus begründet, denn indem der Maler hier von dem ursprünglichen Texte abwich, folgte er einfach den Geboten seiner Kunst, welche in der Darstellung ihrer Ideale nach anderen Grundsätzen verfahren muß, als die mit Worten schildernde Kunst, die Erzählung oder Poesie. J.