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Präludium (Heine)

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
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Autor: Heinrich Heine
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Titel: Präludium
Untertitel:
aus: Romanzero. Erstes Buch: Historien.
Seiten 84-88
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1851
Verlag: Hoffmann und Campe
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Hamburg
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Originaltitel:
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Quelle: Google und Scans auf Commons
Kurzbeschreibung:
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[84]

 Präludium.

Dieses ist Amerika!
Dieses ist die neue Welt!
Nicht die heutige, die schon
Europäisiret abwelkt. –

5
Dieses ist die neue Welt!

Wie sie Christoval Kolumbus
Aus dem Ocean hervorzog.
Glänzet noch in Fluthenfrische,

Träufelt noch von Wasserperlen,

10
Die zerstieben, farbensprühend,

Wenn sie küßt das Licht der Sonne.
Wie gesund ist diese Welt!

Ist kein Kirchhof der Romantik,
Ist kein alter Scherbenberg

15
Von verschimmelten Symbolen

Und versteinerten Perucken.

[85]
Aus gesundem Boden sprossen

Auch gesunde Bäume – keiner
Ist blasirt und keiner hat

20
In dem Rückgratmark die Schwindsucht.


Auf den Baumes-Aesten schaukeln
Große Vögel. Ihr Gefieder
Farbenschillernd. Mit den ernsthaft
Langen Schnäbeln und mit Augen,

25
Brillenartig schwarz umrändert,

Schaun sie auf dich nieder, schweigsam –
Bis sie plötzlich schrillend aufschrei’n
Und wie Kaffeeschwestern schnattern.

Doch ich weiß nicht, was sie sagen,

30
Ob ich gleich der Vögel Sprachen

Kundig bin wie Salomo,
Welcher tausend Weiber hatte,

Und die Vögelsprachen kannte,
Die modernen nicht allein,

35
Sondern auch die todten, alten,

Ausgestopften Dialecte.

[86]
Neuer Boden, neue Blumen!

Neue Blumen, neue Düfte!
Unerhörte, wilde Düfte,

40
Die mir in die Nase dringen,


Neckend, prickelnd, leidenschaftlich –
Und mein grübelnder Geruchsinn
Quält sich ab: Wo hab’ ich denn
Je dergleichen schon gerochen?

45
War’s vielleicht auf Regentstreet,

In den sonnig gelben Armen
Jener schlanken Javanesin,
Die beständig Blumen kaute?

Oder war’s zu Rotterdam,

50
Neben des Erasmi Bildsäul’,

In der weißen Waffelbude
Mit geheimnißvollem Vorhang?

Während ich die neue Welt
Solcher Art verdutzt betrachte,

55
Schein’ ich selbst ihr einzuflößen

Noch viel größre Scheu – Ein Affe,

[87]
Der erschreckt in’s Buschwerk forthuscht,

Schlägt ein Kreuz bei meinem Anblick,
Angstvoll rufend: „Ein Gespenst!

60
Ein Gespenst der alten Welt!“


Affe! fürcht’ dich nicht, ich bin
Kein Gespenst, ich bin kein Spuk;
Leben kocht in meinen Adern,
Bin des Lebens treuster Sohn.

65
Doch durch jahrelangen Umgang

Mit den Todten, nahm ich an
Der Verstorbenen Manieren
Und geheime Seltsamkeiten.

Meine schönsten Lebensjahre,

70
Die verbracht’ ich im Kiffhäuser,

Auch im Venusberg und andern
Katakomben der Romantik.

Fürcht’ dich nicht vor mir, mein Affe!
Bin dir hold, denn auf dem haarlos

75
Ledern abgeschabten Hintern

Trägst du Farben, die ich liebe.

[88]
Theure Farben! Schwarz-roth-goldgelb!

Diese Affensteißcouleuren,
Sie erinnern mich mit Wehmuth

80
An das Banner Barbarossa’s.