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RE:Hydria

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Gefäßbezeichnung
Band IX,2 (1916) S. 25162520
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Hydria (ὑδρία, ἡ). (Für alle in diesem Artikel kurz zusammengefaßten Einzelheiten findet sich weiteres Material in der ausführlichen Monographie von Elvira Fölzer Die Hydria. Ein Beitrag zur griechischen Vasenkunde. Beiträge zur Kunstgesch. N. F. XXXIII 1906.) Die ὑδρία ist ein Gefäß zum Wasserholen (Hesych. s. κρωσσός. Suid. s. κρωσσός. Schol. Aristoph. Vesp. 926). Der Name ist attisch. Wir finden ihn zuerst bezeugt auf der Françoisvase (1. Hälfte des 6. Jhdts., vgl. Furtwängler-Reichhold Die griech. Vasenmalerei Taf. 11/12), ferner durchweg in den attischen Tempelinventaren (vgl. die Zeugnisse bei E. Fölzer 17, 6. 18, 1ff.). Die ὑδρία wurde auch κάλπις und κάλπη genannt (Hesych. s. κάλπη. Suid. s. κάλπις. Schol. Pind. Ol. VI 69). Dieses Wort ist aus dem Ionischen entlehnt, findet sich daher zuerst im epischen Sprachgebrauch (Od. VII 20. Hymnus Cereris 107). Im dorischen Dialekt wird κάλπη nur von Dichtern gebraucht (Pind. Ol. VI 69. Theokr. V 127). Die attische Umgangssprache kennt das Wort anscheinend seit der 2. Hälfte des 5. Jhdts. Xenophon gehraucht bei Schilderung asiatischer oder ionisch beeinflußter Bräuche (Cyropaed. V 2, 7) κάλπη, bei Erwähnung attischer Sitten ὑ. (hell. I 7, 9). In der Prosa findet sich ὑ. stets bei Herodot, Thukydides, den attischen Rednern und Aristoteles. Ebenso wird von den Tragikern der attische Ausdruck durchgehends angewendet mit Ausnahme von Eurip. Hipp. 124 Wil., wo κάλπις vorkommt. Aristophanes dagegen hat sowohl ὑ. als κάλπις. Später hält sich κάλπις in der Dichtersprache.

[2517] Für die Form der H. fehlen literarische Zeugnisse (Poll. X 74 handelt von der eleusinischen πλημοχόη, und Athen. XI 488 d erwähnt nur die Henkel derὑδρίαι Κορινθιακαί). Doch gibt die Françoisvase eine durch die Beischrift ὑδρία beglaubigte Darstellung dieser Vasengattung und mehrere Exemplare ohne Beischrift. Es sind weitbauchige Gefäße mit Fuß und scharf abgesetztem Hals mit Mündungsrand ohne Ausguß. Auf dem Bauche befinden sich 2 Horizontalhenkel zum Heben des Gefäßes, außerdem verbindet ein zum Gießen dienender Vertikalhenkel Hals und Bauch. Von dieser sicher überlieferten Form des Wassergefäßes ausgehend, kann man die zahlreich gefundenen Beispiele dieser Gattung einordnen und eine Entwicklungsreihe der Formen von der prähistorischen Zeit an für die verschiedenen Mittelpunkte griechischer Keramik in verschiedenen Zeiten verfolgen.

I. Kugelform: Fußlose H. ohne scharfe Trennung von Hals und Bauch. Die kugelförmige H. entwickelt sich in prähistorischer Zeit aus der Kanne, von der sie sich nur durch die beiden Horizontalhenkel unterscheidet; von der spätmykenischen Zeit an zeigt sich außerdem der Einfluß der kugelförmigen Amphora auf die H.

II. Kannenform, a) mit langem Hals: niedriger Fuß, gestreckter, unten eiförmig zugespitzter Bauch, der im oberen Drittel rund abfällt und dort seine größte Ausdehnung hat. Langer, gegen den Bauch scharf abgesetzter Hals mit abgesetztem Mündungsrand. In der Form dieses Gefäßes herrscht der Vertikalismus vor. Dies zeigt sich auch an dem horizontal am oberen Drittel des Halses abgesetzten Henkel, der in einem senkrechten Stab auf dem oberen Drittel des Bauches endigt. Die Form findet sich vereinzelt in prähistorischer Zeit, herrscht zur Zeit der geometrischen Stile und findet sich noch in der Vurvagattung. Von diesen H. sind die des griechischen Ostens schlank und elegant, die attischen dagegen plumper mit breiter Standfläche und gedrungeneren Proportionen; b) mit kurzem Hals: breite, abgeflachte Standfläche statt des Fußes. Größte Ausdehnung des Bauches in der Mitte. Kurzer, meist etwas geschweifter Hals, der schwach gegen den Bauch absetzt. Scharf abgesetzter, wenig vorspringender Mündungsrand. Kurzer, flacher und kantiger Vertikalhenkel, der horizontal in der Mitte des Halses ansetzt und vertikal auf dem oberen Drittel des Bauches endigt. Diese Form kommt für Vorratsamphoren schon in prähistorischer und mykenischer Keramik vor, im griechischen Osten und bei den Sikulern nur in den geometrischen Stilen, im griechischen Mutterland fehlt sie.

III. H. mit eiförmigem Bauch: kurzer, meist gegen den Bauch abgesetzter Hals; vorspringender, scharf abgesetzter Mündungsrand. Ansatz der Seitenhenkel stets da, wo der Bauch die größte Ausdehnung hat. Ansatz des Vertikalhenkels in der Mitte des Halses, vereinzelt am Mündungsrand. Diese Klasse kann als Fortsetzung von Typ I aufgefaßt werden. Zwei Stufen allmählicher Umformung der Kugel-H. lassen sich dabei unterscheiden. Die Entwicklung zeigt ein Streben nach schlankeren Proportionen. Diese Form beginnt in mykenischer Zeit.

[2518] IV. H. mit schrägabfallender Schulter: in dieser Klasse beginnt die tektonische Trennung von Schulter und Bauch. Größte Ausdehnung etwas oberhalb der Mitte. Der obere Teil des Bauches fällt flach und schräg ab bis zu den Seitenhenkeln und knickt hier gegen den Fuß zu ab. Die Form findet sich schon vereinzelt in mykenischer Zeit, fehlt jedoch in den geometrischen Stilen. In der ionischen Kunst wird sie weiter ausgestaltet und bildet die Grundform für die sf. attische H.

V. H. mit ausladender und gegen den Bauch absetzender Schulter: stets mit Fuß versehen. Eiförmig zugespitzter Bauch, der dort, wo die Schulter gegen ihn absetzt, die größte Ausdehnung hat. Runder oder scharfkantiger Knick zwischen Bauch und Schulter, je nachdem die Form auf metallgetriebene oder genietete Vorbilder zurückgeht. Ansatz der Seitenhenkel gewöhnlich am Mündungsrand. Die Form, die stark von der Metalltechnik beeinflußt ist, kommt zuerst in Ionien vor und wandert von dort ins griechische Mutterland.

VI. Die Kalpis. Mit dem Namen Kalpis wird in der modernen Archäologie die Form der H. bezeichnet, bei der die einzelnen Teile ohne Trennung ineinander übergehen. Diese Form hat sich aus der Treibtechnik entwickelt. Sie findet sich neben der H., zunächst selten, schon in mykenischer Zeit. Gegen Ende des 6. Jhdts. dringt sie in Athen ein und verdrängt im 5. Jhdt. die H. mit absetzender Schulter. Nach der Bildung des Bauches kann man die schlauchähnliche und die bauchige Kalpis unterscheiden.

Wie die oben dargelegte Entwicklung der Form zeigt, sind die Grundformen der H. und Kalpis in Metallgefäßen zu suchen. Daneben finden sich für den täglichen Gebrauch Tongefäße, die sowohl die genieteten als die getriebenen Formen nachahmen.

In der prähistorischen Zeit fehlt in der Regel Dekoration an der H. Vereinzelt kommen Ornamente in Ritztechnik und plastische, brustwarzenartige Erhöhungen zwischen den Seitenhenkeln vor. In mykenischer Zeit Streifendekoration. In geometrischer Zeit beginnt eine von den Henkeln bedingte Dekorationstechnik: Nachahmung der Henkelbefestigung von Metallgefäßen. Die Abhängigkeit der Tonformen von Metallvorbildern zeigt sich besonders deutlich in der plastischen Wiedergabe der Lötringe, die Hals und Fuß mit dem Bauch verbinden, sowie in der Rillung des Mündungsrandes und der Bildung des Fußes. Der horizontale Bauchstreifen in der Mitte geht auf Niettechnik zurück, indem ursprünglich hier die obere und untere Gefäßhälfte zusammengesetzt waren. Die Vasen geometrischen Stils haben mehrfach übereinanderliegende Streifendekorationen, ohne Unterschied zwischen Vorder- oder Rückseite. Die figürlichen Darstellungen befinden sich meist am oberen Teil der Gefäße, sehr selten am unteren Drittel des Bauches. Die Streifendekoration wirkt auf den Inseln und im griechischen Mutterlande noch in nachgeometriseher Zeit fort. Daneben beginnt man aber in der ionischen Keramik (Daphnaevasen) mit einer neuen Dekorationsart: der ganze Gefäßkörper wird gefirnißt, und nur vorne an [2519] Schulter und Bauch wird ein Bildfeld für die Darstellung ausgespart. Diese Art wird in Griechenland selbst im altattischen und spätkorinthischen Stil aufgenommen und bleibt dann im sf. und rf. attischen Stil alleinherrschend. An die Metalltechnik erinnern in dieser Zeit noch die Palmetten- und Spiralornamente unterhalb der Henkel.

Bei den Kalpiden unterbleibt, der Form entsprechend, die Trennung von Bauch- und Schulterbild. Hier finden wir ein einziges, größeres oder kleineres Bildfeld, das entweder auf dem oberen Teile angebracht ist oder sich über Schulter und Bauch erstreckt und ringsum oder teilweise von Ornamenten begrenzt wird.

Im täglichen Leben wird die H. als Wassergefäß am Brunnen (Darstellung auf der Françoisvase, andere Beispiele bei Fölzer 5ff.) oder zum Übergießen beim Bad (vgl. die H. der knidischen Aphrodite u. a. Beispiele. Fölzer 10ff.) gebraucht. Auch Wein wird in ihr aufbewahrt (Poll. X 74. Iuv. XV 25 [urna]), auch Darstellungen auf Vasen (Fölzer 12), wo beim Symposion Wasser oder Wein aus einer H. in einen Krater gegossen wird. Als Honigtopf dient eine H. bei Theokr. V 127, und kleine, bunte Glasexemplare können wir nach Athen. X 438f. XV 689f als Parfümgefäße erklären. In die Erde vergraben, ist die H. ein Versteck für Kostbarkeiten verschiedener Art, Schol. Aristoph. Av. 602. Paus. IV 26, 8 für Gesetze der Demeter. Apollod. II 7, 8, 5 (II 144 Wagner) für die Locke der Gorgo; vgl. auch Dittenberger Syll.² I 300, 51, dazu Fölzer 13.

Wie Dreifüße und Kessel werden auch H. als Siegespreise ausgesetzt (ältestes Beispiel Kalpis des 5. Jhdts. aus Lampsakos. Fölzer S. 88 nr. 182 Taf. IX; vgl. auch S. 14).

Vielfach werden H. als Stimmurnen bei Gericht verwendet (Aristot. Polit. Ath. 63, 2. 64, 4. Xen. hell. I 7, 9. Isokr. Trapez. 33). Als Losurnen dienen je eine goldene, silberne und eherne H. in einer Inschrift von Eleusis (Dittenberger Syll.² II 789, 30ff., Lucian. Hermotim. 10 und 57. Fölzer 15). Ob die Benutzung der H. als Stimm- und Losurne an Stelle von Kados und Amphora eine bestimmte sakrale Bedeutung hat, ist noch nicht sicher zu erkennen.

Im Totenkult wird die H. neben anderen Gefäßen besonders häufig als Aschenurne gebraucht (z. B. Paus. IV 33, 5. IX 30, 7. Fölzer 16, 2); ferner für Weihgüsse am Grabe (Fölzer 17, 3), zum Löschen des Scheiterhaufens (vgl. Mon. d. Inst. IV Taf. 41. Fölzer 6, 6. 16, 1) und als Schmuck des Grabes (Fölzer 17, 4). Diese Sitte läßt sich wahrscheinlich aus der alten Vorstellung erklären, daß der Tote seinen Durst aus der H. löschte. Daher erhielt er neben Speisen u. a. Beigaben auch mit Wasser gefüllte Krüge mit ins Grab und auf den Hügel.

Als Kultgefäße finden sich H. in großer Zahl in den Heiligtümern der Götter (Fölzer 17, 5). In den attischen, delischen und eleusinischen Tempelinventaren werden goldene und silberne H. aufgeführt, und öfters werden andere Metallgeräte aus dem Tempelschatz zu H. umgeschmolzen [IG II 2, 720 A Col. I 3ff. 728, 28; vgl. auch Lehner über die athen. Schatzverzeichnisse des [2520] 4. Jhdts., Bonn 1890 [Kap. 1 und 2]. Fölzer 17f.).

Die H., die zum Besitze der Heiligtümer gehören, dienen nicht nur im Tempel selbst dem Kultgebrauch, sondern werden auch als Opfergeräte (Athen. V 195 b. c) und Wassergefäße beim Festzug verwendet zum Tränken und Besprengen der Opfertiere (Gerhard Auserl. Vasenb. Taf. 81. Winter Die antiken Terrakotten I 157, 6; vgl. besonders den Zug des Parthenonfrieses, Michaelis Der Parthenon Taf. 12, 6).

Infolge ihrer sakralen Bedeutung wird die H. häufig als Weihgeschenk, namentlich für chthonische Gottheiten dargebracht (Fölzer 25).

Nachträge und Berichtigungen

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