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Rembrandt (Gemälde der Dresdener Gallerie)

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
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Autor: Adolph Görling
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Titel: Rembrandt
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aus: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1848–1851
Verlag: Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne
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Erscheinungsort: Leipzig und Dresden
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Quelle: Scan auf Commons
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Rembrandt and his Wife.     Rembrandt und seine Frau.

[214]
Rembrandt.

Paul Rembrandt, oder niederländisch Rymprandt, van Rhyn, ward im Jahre 1606 in der Nähe von Leyden geboren. Dieser Maler, einer der berühmtesten und originellsten der niederländischen Schule, war der Sohn eines Windmüllers. Unter Jakob van Zwaanenburg in Leyden erlernte er die Anfangsgründe seiner Kunst, und gab schon hier, fast noch ein Knabe, Beweise seines genialen Sinnes für schlagende, pikante Beleuchtung, welche seine ganzen spätern Werke auszeichnet. In Amsterdam machte er sich unter Peter Lastmann und Jakob Pina, zweien nicht unberühmten Malern, die höhere Technik eigen, insofern solche erlernt werden kann.

[215] Vom ersten Augenblicke an war Paul Rembrandt jedoch durchaus in Composition wie in Bearbeitung seiner Vorwürfe einer so selbstständigen, originellen Richtung anheim gegeben, daß er sich von seinen Kunstgenossen zurückzog, auf die einsame Mühle seines Vaters sich begab und, Alles, außer der meisterhaften Technik, ignorirend, nur auf sich selbst und die handgreifliche Wirklichkeit sich stützend, zu malen begann. Es war seine unumstößliche Meinung geworden, daß die Natur, gleichviel wie sie erscheine, die einzige Führerin des Künstlers sein müsse. Er erreichte wirklich den höchsten Grad äußerlicher Wahrheit in seiner Kunst, und sein Ruf verbreitete sich sehr bald durch ganz Holland und Frankreich. Paul Rembrandt verheirathete sich mit einer Bäuerin aus Leyerdorp, in welcher er, so weit für einen Künstler von so materieller Richtung ein Ideal stattfinden konnte, sein Ideal der Schönheit gefunden hatte. Als seine Ausgaben stiegen, begab er sich nach dem Haag, wo seine Bilder wahrhaft Rubens’sche Preise erfahren hatten.

Er schloß sich auch hier, wie bisher, vollständig ab, verkehrte nur mit Leuten gemeinen Schlages – seinen Originalen–und ward durch seine Darstellungen des niedern Lebens von Tage zu Tage berühmter, reicher und geiziger. Was er indeß als Maler erwarb, verschleuderte er als Sammler der Meisterwerke der Künstler italienischer und spanischer Schule, so daß er arm in Amsterdam starb: – 1674.

Paul Rembrandt’s origineller, nicht selten bizarrer Charakter war seinem Streben als Künstler nachtheilig. Ohne Kenntnisse in den für einen Maler so nothwendigen Wissenschaften der Geschichte, Mythologie u. s. w. und von keinen erhabenen Phantasien gleich Rubens und Van Dyk emporgetragen, blieb er, dem es nur um möglichste Naturtreue und schlagende Effecte zu thun war, einseitig, fast abstoßend, zumal da er über der fesselnden Färbung Composition und Zeichnung selten einer großen Aufmerksamkeit würdigte.

Höchst bewundernswürdig, von wenigen Meistern erreicht, ist er hinsichtlich des Ausdrucks, des Colorits, ganz besonders aber wegen seines Helldunkels. Seine melancholische und dennoch grelle Beleuchtung, seine wahrhaft magische Färbung, wobei entweder das Licht scharf von einer Seite, oder geheimnißvoll oder blendend von oben fällt, fesselt den Beschauer fast unwiderstehlich. Gewöhnlich hat Paul Rembrandt eine ausgezeichnete, fast minutiöse Bearbeitung seiner Köpfe, Figuren und Gewänder, wie auch der Nebensachen und Staffagen. Sein Nacktes ist uncorrect, massig; so prachtvoll er Gesichter und Hände malte, so wenig verstand er, der Anatomie unkundig und der Fleischtöne kaum mächtig, Fleischpartien oder nackte Figuren gleich Rubens zu malen. Seine Gewandung ist reich; die Stoffe sind täuschend nachgeahmt; die Drapirung voll, aber überladen und nur selten von antiker, graziöser Einfachheit; die Perspektive aber ist mangelhaft und voller Fehler.

Es konnte, bei dieser Richtung und Ausbildung des Künstlers, nicht anders sein, als daß von den sehr zahlreichen Gemälden desselben die Portraits und die Portraitstücke einen solchen Rang einnehmen, daß seine geistlich-historischen, seine Conversations-Bilder und sogar seine effectreichen Genrestücke hinter den Portraits zurückstehen müssen.

Nachdem wir erwähnt haben werden, daß Rembrandt, gleich großer Kupferätzer als Maler, mindestens gegen 400 geätzte Blätter lieferte, welche meist unübertrefflich und daher ausgezeichnet gesucht sind, und nachdem wir von seinen zahlreichen Schülern den besten, Goevaert Flink, [216] genannt haben, wenden wir uns zu dem vorliegenden Blatte, den Künstler und seine Frau darstellend, welches heute, nachdem es verschiedene Male die Besitzer wechselte, die Gallerie zu Dresden ziert.

Fast jedes Bild von Rembrandt ist bei seiner originellen, obgleich einseitigen Kunstrichtung ein Erlebtes. Er sprach, er rauchte, er trank mit den Figuren seiner Gemälde; er saß mit diesen ewig holländischen Gestalten am Kamin; er war neben ihnen in den vorsündfluthlichen Schenken; er handelte und feilschte mit ihnen auf seinen köstlichen Jahrmärkten und Kirmsen, und hörte die seltsame Musik seiner zerlumpten Fiedler, Clarinettisten und Dudelsackpfeifer selbst mit an. Gehen etwa die Bilder Rembrandt’s über die bloße geniale Abschrift der Wirklichkeit hinaus: so findet der sinnige Beschauer dennoch sehr leicht den äußern Anstoß auf, aus welchem die Composition des Werkes hervorging. Ohne diesen äußern Anstoß malte Rembrandt selten; er war ihm nothwendig, und bot sich derselbe nicht etwa von selbst dar, so machte der Künstler geflissentlich Jagd darauf.

Deutlich weist unser Bild des berühmten Niederländers in der ganzen Situation, in der Costumirung, in dem zum Lautwerden, zum Greifen dargelegten besondern Stück Leben und in dem Ausdrucke, welcher in den Gesichtern der beiden Figuren liegt, auf eine solche äußere Anregung, auf eine aparte Ursache seines Entstehens hin.

Das Bild redet und erzählt einen Theil seiner Geschichte, welche wir hier in ihrer ganzen niederländischen, wohlbehäbigen Gemüthlichkeit wiedergeben.

Paul Rembrandt hatte sich mit seiner jungen Frau seit noch nicht langer Zeit nach dem Haag übersiedelt. Er hatte eine kleine Wohnung in der Nähe der Kathedrale in einem kleinen, aber sehr lebhaften Gäßchen bezogen. Die Vorübergehenden hatten hinter den mit runden Scheiben versehenen Fensterchen des Malers kaum einige seiner unsterblichen Bilder gesehen, als sie auch von früh Morgens bis spät Abends die Wohnung förmlich belagerten. In Folge dieses damals durchaus nicht gebräuchlichen Mittels erreichte es der Maler, daß die Stadt in wenigen Tagen wußte, sie beherberge ihn in ihren Mauern. Er hatte sich zugleich dadurch der Nothwendigkeit überhoben, bei den vornehmen Beschützern und Liebhabern der Kunst sich vorzustellen: sie drangen selbst in sein kleines, aber prächtiges Atelier, und bald sah sich der junge Künstler, ungeachtet des Monopols, welches der Fürst der niederländischen Maler, Peter Paul Rubens und seine Schüler, Van Dyk, Vanhoek, Teniers und Andere bisher in ihrer Kunst ausübten, mit den ehrenvollsten, lohnendsten Aufträgen überhäuft.

Vor diesen seinen Kunstgenossen hatte sich der eben so stolze als jedem Zwange durchaus abholde Rembrandt gar nicht sehen lassen. Er fühlte, daß er, ungeachtet er dieser Malerschule isolirt gegenüberstand, stark genug sei, um seinen Weg zu finden, ohne – wie es gewöhnlich der Fall war – dem Meister Rubens den Hof zu machen oder gar, wie die meisten seiner großen Schüler, unter seiner Leitung, nach seinen Entwürfen und für seine Rechnung zu arbeiten. Dafür wurde er von seinem bereits auf der Höhe des Ruhms stehenden Kunstgenossen – wie es etwa der Dichter der „Räuber“ von Göthe erfuhr – längere Zeit hartnäckig ignorirt.

Ein Zufall führte Rembrandten, welcher die feinen Gesellschaften, wo er seinen Kunstgenossen hätte begegnen können, vermied und dafür die Tabernen, die Winkelschenken, die Bettle- und Zigeunerherbergen und die Paradiese der Landsknechte besuchte, den Haager Malern näher.

[217] Es war draußen in einer der Vorstädte, wo sich ein altes, halb zerfallenes, langes Gebäude befand. Dies war eine Schmiede. Rembrandt hatte dies malerische Gebäude mit seinem noch viel malerischeren Treiben im Innern auf seinen Abendwanderungen längst herausgefunden. So oft er aber auch schon hinauspilgerte, um die Schmiede mit ihren Cyklopen zu zeichnen, so wenig waren die äußern Umstände günstig gewesen, um das Lebensbild in all den schlagenden Effecten zu zeigen, dessen dasselbe fähig war. An einem Frühlingsabende hatte Meister Rembrandt Pinsel und Palette von sich geworfen, seine getreue Pelzmütze abgelegt und sich, in seinen Marderpelz gehüllt, in einen Lehnstuhl an’s Kamin gesetzt. Er erwartete seine junge schöne Frau, welche in die Stadt gegangen war.

Als sie endlich erschien, beklagte sie sich über das Wetter, welches sie länger als gewöhnlich zurückgehalten habe.

– Regnet es etwa? fragte Rembrandt.

– Es fällt ein dichter, feiner Staubregen! erwiederte die schöne Jantje. Ich freue mich, daß Du nicht fortgehst, sondern den Abend bei mir verbringen willst.

– O, o, schöne Frau, sagte Mynheer Rembrandt. Nicht so voreilig. Laß hören: es ist etwa finster draußen?

– Sehr finster.

– Du hast nicht bemerkt, wie das Licht in den großen Laternen auf den Straßen aussieht?

– Doch, Paul; es brennt sehr trübe und sieht roth aus!

– Sehr gut, Frau! Und es ist noch nicht neun Uhr! Dann werden sie also noch arbeiten, und ich muß eilen, damit ich wenigstens heute Abend die Gelegenheit nicht verfehle . . .

– Wohin gedenkst Du, Mynheer? fragte die schöne Jantje ängstlich.

– Gieb mir meine Mütze und meine Mappe. Ich muß nach der Schmiede in der Vorstadt. Dann sind’s noch zwei Tage, mein Bild ist fertig und Jantje wird einige hundert Gulden mehr im Säckel haben.

Rembrandt hatte sich nicht getäuscht. Als er vor die Schmiede kam, stieß er einen Ausruf freudiger Ueberraschung aus. Die Dunkelheit draußen, die seltsam beleuchteten, arbeitenden Knappen am Ambos und vor der roth strahlenden Esse . . . Der Maler legte sich über die niedrige Unterthür und fing mit blitzenden Augen zu zeichnen an. Er warf einige Geldstücke in die Schmiede und veranlaßte die kräftigen, rüstigen Gesellen zu mehren Stellungen, wie er sie gebrauchte. Dann schlug er seine Mappe zu und blieb, mit Kennerauge Studien machend, schweigend und aufmerksam in der Thüre lehnen.

– Mynheer! wollt Ihr uns einen Augenblick Euren Platz abtreten? sagte ihm Jemand, indeß Rembrandt einen leichten Schlag auf seiner Schulter fühlte.

Zwei junge, bärtige Männer standen hinter ihm. Rembrandt erkannte das edle Antlitz Van Dyk’s und die entschiedenen Züge Van Schut’s. Er trat lächelnd zurück.

– Das willst Du malen? murmelte er für sich. Es ist Schade, daß Paul Rembrandt dies Bild ebenfalls gesehen hat.

Van Dyk fing sammt Schut zu skizziren an. Rembrandt blieb ruhig zur Seite stehen und sah der Arbeit zu. Er murrte unzufrieden.

[218] – Mynheer, mein Bild gefällt Euch nicht! sagte Van Dyk zur Seite blickend.

– Das ist kein Wunder! Malt das fertig, Meister, und es wird Euch selbst eben so wenig gefallen.

Damit ging Rembrandt fort.

– Kennst Du den Mann? fragte Schut den Freund.

– Ich kenne ihn nicht! Aber dieses breite Gesicht muß etwas von der Sache verstehen; denn ich sehe mich genöthigt, eine andere Skizze zu entwerfen, will ich die Beleuchtung so scharf fassen, wie ich es beabsichtigte.

Drei Tage später standen Van Dyk und Schut vor Rembrandt’s Wohnung. Seine „Schmiede“ war ausgehängt.

– Was sagst Du dazu, Freund? fragte Van Dyk. Dieser Mann malt ein Helldunkel, wie es Rubens und Correggio verstehen, aber er übertrifft sie weit an Keckheit und Kühnheit der Lichter. Dies düstere Bild ist ein Meisterstück ohne Gleichen. Komm, Schut, wir werden den Künstler sehen. Ist der Einsame zu stolz, um uns aufzusuchen, so soll er gewahr werden, daß Van Dyk wenigstens Künstler genug ist, um vor seinem Genie den Hut zu lüften. Dies Bild und meine „Schmiede“! Ich werde dies Bild besitzen und sollte ich dasselbe für mein bestes Stück eintauschen müssen!

Schut aber ging eigensinnig fort. Van Dyk trat bei Rembrandt ein.

– Ich bin Van Dyk, Meister! sagte der schöne Maler, dem kleinen fetten Paul die Hand entgegenstreckend. Ich will Euch begrüßen, um etwas von Euch zu lernen. Wißt Ihr, meine Schmiede taugt wirklich nichts, deshalb komme ich, um mir die Eurige zu holen. Ich biete Euch eins von meinen Gemälden dafür an; Ihr dürft zu mir kommen und Euch aussuchen, welches Ihr wollt.

Rembrandt, so gefaßt, widerstrebte nicht länger. Er zeigte seine Bilder, vertheidigte seine Manier, dem Anstreben von Großem, Ungewöhnlichem gegenüber, und nahm endlich Van Dyk’s Arm und ging mit ihm in dessen Atelier.

Rembrandt beachtete die Bilder, in welchen etwas von der Grazie, von der himmlischen Anmuth Raphael’s sich zeigte, nicht; er ging kalt vor den reichen, ideellen Compositionen seines Kunstgenossen vorüber und lobte nur hier und da die gelungene Technik; er bekümmerte sich nicht um die Stücke, in denen der junge Van Dyk die menschliche Seele in den verschiedenartigsten Lagen und Zuständen zu malen versucht hatte.

– Gebt mir dies Bild für meine Schmiede und ich bin zufrieden! sagte Rembrandt endlich, auf die „Schnitter“ (Les moissonneurs dans les Flanders) zeigend, welches Bild sich noch auf der Staffelei befand. Die Schnitter waren ein Lebensbild, in welchem Rembrandt etwas ihm Verwandtes auffand. Es war unvollendet.

– Dies ist die schlechteste meiner Arbeiten! sagte Van Dyk. Sucht eine andere, Mynheer.

– Die beste, sagt lieber; hier habt Ihr die Wirklichkeit nahezu getroffen.

– Aber ich will nur künstlerische Wahrheit, Meister Rembrandt!

– Ihr wollt über die Natur hinaus und erreicht sie nie, erwiderte Paul Rembrandt. Sie, nur sie ist die ewige Mutter aller Kunst. Sie kann schaffen; der Mensch nie. Er kann [219] aus ihren einzelnen Zügen eine Art Ganzes zusammenstoppeln, das nennt Ihr: nach der Phantasie malen; aber dies werden Undinger. Ihr könnt nichts geben, als was Ihr der Natur abschriebt, stahlt; das ist echt, das ist vortrefflich, wahrhaft lebendig! Seht diese Schnitterinnen, das sind prachtvolle niederländische Mädchen, zum Küssen, zum Anbeißen; sie können lachen, scherzen, lieben, trinken und unverschämten Liebhabern Ohrfeigen geben. Was aber gedenkt Ihr, Meister Van Dyk, mit dieser unvollendeten Hauptfigur im Vordergrunde anzufangen?

– Es ist die Königin der Schnitterinnen! Sie ist die Trägerin des idealen Lebens in meinem Bilde; sie erst soll dem gemeinen, alltäglichen Leben den künstlerischen Stempel verleihen . . .

– Ihr wollt also jedenfalls ein Unding in das Bild bringen. Dann verlange ich es nicht.

– Nein, einfach eine ideale Gestalt, sagte Van Dyk, und ich habe mir sie im Geiste noch nicht klar genug gemacht, um sie malen zu können.

– So geht doch und sucht Euch Eure Königin der Schnitterinnen. Fangt Euch ein Mädchen, wie Ihr sie braucht, portraitirt sie, und gebt mir dann Eure Moissonneurs.

– Ich brauche sie nicht zu suchen, denn ein lebendes Frauenbild wird dennoch nie an mein Ideal hinanreichen.

– O, Prahler! rief Rembrandt sehr aufgeweckt; seht Euch vor, daß Ihr nicht etwa einem Mädchen begegnet, an welchem Euer Pinsel zu Schanden wird, vor welchem Ihr gestehen müßt: meine Kunst ist, dieser Natur gegenüber, todt.

Van Dyk richtete sich stolz auf. Rembrandt aber nahm lächelnd Abschied und ermahnte ihn abermals, sich ein schönes, wirkliches Modell für die Königin der Schnitter zu suchen, und ging fort. Zu Hause angekommen, sagte er zu seiner Frau:

- Kennst Du Van Dyk?

– Ich habe sein Portrait gesehen, antwortete Jantje.

– Kennst Du den goldenen Kirchenstuhl neben dem Königsstande in der Kathedrale?

– Ei, ja, es ist derjenige des Rubens!

– Gut, schmücke Dich und geh gleich in die Messe. Rubens und Van Dyk werden nicht fehlen. Setz’ Dich ihnen gegenüber und sorge, daß Mynheer Van Dyk Dich, schönes Frauchen, so genau als möglich sieht. Verstehst Du?

– Aber wozu?

– Er hat ein Modell nöthig, welches er nicht aus der lieben Gotteswelt, sondern aus seinem leeren Gehirn holen will. Er wird aber Dich sehen und marblex! er wird Dich malen wollen und wird Dich auf mein Bild malen. Ich werde diesem Stolzen eine Schlappe beibringen; ich bin entschlossen, ihm gegenüber Recht zu behalten. Geh, Jantje, sei liebenswürdig; verstehe mich; aber nicht zu sehr!

Jantje begriff lächelnd und schmückte sich wie eine Königin, ging zur Kirche und nahm den verabredeten Platz ein. Van Dyk erschien sehr bald an Rubens Seite. Sein Blick fiel auf das strahlende, blühende Gesicht der Frau des jovialen Rembrandt, welche, sanft lächelnd, den blitzenden Blick der Augen des jungen Malers aushielt. Sie schien Van Dyk, welcher ungeachtet seiner Liebe zum Fräulein Van Maleder nichts weniger als unempfindlich war, auf’s Höchste zu [220] interessiren, und die verschmitzte Jantje that Alles, um sein Interesse noch zu steigern. Als sie aus dem Tempel hinausschritt, trat Van Dyk an ihre Seite, zog seinen Federhut und bat um Erlaubniß, ihr das Meßbuch tragen zu dürfen. Jantje gab es zu, und ging zu dem Hause einer Verwandtin, um den Maler über ihre Person sicher zu täuschen. Dieses Rencontre wiederholte sich einige Tage. Jantje ward nachdenklich und Van Dyk fing an, ernstlich verliebt zu werden. Die schöne Frau Rembrandt’s wollte sich zurückziehen; aber Van Dyk schwor, er könne sich dann erst von ihr trennen, wenn er ihr Portrait besitze. Jantje mußte ihm sitzen und der Maler malte sie richtig als „La Reine des Moissonneurs“.

An demselben Abende schickte ihm Rembrandt eine Einladung, zum Nachtessen nach seinem Hause zu kommen und jedenfalls, seinem Versprechen gemäß, das Bild: „Die Schnitter“, fertig oder nicht, mitzubringen. Van Dyk küßte das Portrait der schönen Unbekannten und sagte seufzend sein Erscheinen zu.

Es war spät, als er bei Paul Rembrandt eintrat, den Mantel zurückschlug und sein Gemälde zum Vorschein brachte. Rembrandt im Festkleide, den Federhut auf dem Kopfe, den Degen an der Seite, hielt eine schlanke, prächtig geschmückte Frauengestalt auf den Knieen. Van Dyk sah ihr Gesicht nicht, denn sie hatte ihm den Rücken zugewandt und machte sich an dem Tische zu schaffen, wo das Nachtessen und ein prächtiger Pfau mit ausgebreitetem Schwanze paradirte.

Rembrandt blickte auf das Gemälde.

– Die Königin der Schnitterinnen ist süperbe! rief er lachend dem ernsten Van Dyk zu. Es ist gut, Mynheer, daß Ihr meinem Rathe folgtet und ein Portrait statt Eures Ideals liefertet.

– Dies ist mein Ideal! rief der Maler.

– Wie das meinige! Ihr habt’s in Gedanken, ich, wie gewöhnlich, in der herrlichen, fühlbaren Wirklichkeit. Sieh Dich doch einmal um, schöne Jantje!

– Die junge Frau wandte lächelnd den Kopf und blickte den erstaunten Van Dyk halb schelmisch, halb sinnend an.

– Es lebe Jantje van Rhyn! Die Van Dyk’sche Schnitterin! rief Rembrandt, hoch das gefüllte Glas emporhebend. Und hoch lebe die Natur und Alle, die ihren Fußtapfen folgen, und vergehen möge Phantasterei und Nebeldunst! Hoch alle Maler!

– Für dies Mal mögt Ihr Recht behalten! sagte Van Dyk, indeß er sich faßte und mit wiederkehrender Heiterkeit der schönen Jantje die Hand küßte und mit Rembrandt kräftig anstieß.

– – –

Acht Tage später hatte Rembrandt das Portrait von sich und seiner Frau vollendet, welches ihn an seinen kleinen Triumph erinnerte. Es war lange im Besitz Goevaert Flink’s, dem es Van Dyk vergeblich abzukaufen suchte.