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Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen: Pirk (Vogtland)

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Textdaten
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Autor: G. Jahn
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Titel: Pirk
Untertitel:
aus: Voigtländischer Kreis, in: Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen. Band 5, Seite 52–54
Herausgeber: Gustav Adolf Poenicke
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: o. J. [1859]
Verlag: Expedition des Ritterschaftlichen Album-Vereins
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: SLUB DresdenCommons
Kurzbeschreibung:
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Pirk.


Fast an der westlichen Spitze des Königlich Sächsischen Voigtlandes, 2 Stunden von der Hauptstadt des Voigtlandes, von Plauen, 1½ Stunde von der Stadt Oelsnitz und 4 Stunden von der Curia Variscorum im Regnitzlande, von der Stadt Hof entfernt, in einem engen, nach Osten hin in das Elsterthal ausmündenden im Westen sich aufwärts in mehrere kleine Wiesengründe und nach und nach sich verflachende Bergrücken auslaufenden Thale an dem grünenden Ufer der krystallhellen Feile, die hier bald sprudelnd und murmelnd, bald schäumend und tosend dem Hauptflusse des Voigtlandes, der Elster zueilt und mit ihr in ihrer Umarmung schwesterlich thalabwärts zieht, liegt an der Strasse von Plauen nach Hof das dermalen zum Amtsbezirk Voigtsberg gehörige, altschriftsässige frühere Mannlehn- jetzt allodificirte Rittergut Pirk, das sowohl hinsichtlich seiner wahrhaft schönen und romantischen Lage und Umfänglichkeit, seiner Ausdehnung, als auch der Fruchtbarkeit des Bodens und des dermaligen zeitgemässen Culturzustandes zu den ersten und schönsten und wohl auch gesegnetsten und besten Rittersitzen des Voigtlandes zu zählen ist. Hingezwängt in ein enges Thal, auf dessen südlicher Seite der Bergriese des westlichen Voigtlandes, der Eichelberg, mit seinem waldumwachsenen Haupte wohlgefällig auf die freundliche Schöpfung im Thale niedersieht, und für sie dem gegenüber in nördlicher Richtung über „dem Flau“ fast ebenso hoch ansteigende Haferpühl mit dem Hundsloch, dem Scharfenberg als Bruder und Schirmvoigt zu Schutz und Trutz gegen verheerende Stürme aus Westen und Norden die Hand darbietet, während gegen feindliche Wetter aus Osten die Schönecke die Schutz- und Scheidewand bildet, deshalb so genannt, weil sie die freundlichste und malerischste Fernsicht gewährt in das über Magwitz den alten Stein und Dobeneck nach Oelsnitz hin auflaufende Elsterthal, auf die Planschwitzer Höhen, in die erlenreichen Gründe des Triebelbachs und der Feile, sowie hinab zu der engen Thalschlucht, wo die zum Schlosse Pirk gehörige Mühle – ehemals auch die Klostermühle genannt – mit ihrem lebendigen Getriebe und Geklapper die stille Ruhe und Einsamkeit des hier scheinbar zu Ende gekommenen und mit Felsen und Wald verbarricadirten Elsterthales unterbricht, eine Erscheinung, die den aufmerksamen Beobachter der Natur, der in diesen zerrissenen Klüften und Schluchten, in diesen himmelanstrebenden Bergriesen, dem Eichelberge vor sich und in den engen und tiefen Thälern unter sich die vulkanische Wirkung der Schöpfung der Vorzeit nicht verkennen kann, unwillkührlich zu der Annahme und Ueberzeugung führt, dass an dieser Gegend die Hand des Herrn eben so gewaltig und herrschend, als schaffend und segnend sich erwiesen hat, liegt das freundliche Schloss mit seinem Wirthschaftsgehöfte und dem dazu gehörigen Dörfchen, fast versteckt unter grünenden Linden und Eichen, und dem Wanderer wird eine um so grössere plötzliche Ueberraschung bei diesem Anblick je weniger er in diesem Versteck auf eine solche Erscheinung vorbereitet war. Die eigentlichen wahren Wirthschaftsgebäude des Rittergutes Pirk bilden ein regelmässiges Quadrat; auf der östlichen Seite steht das eigentliche Schloss oder Herrenhaus, ein vor ungefähr 60 Jahren im modernen Geschmacke wenn auch nicht im neuesten Style errichtetes Gebäude, und ihm gegenüber erhebt sich ein in neuerer Zeit, erst vor ohngefähr 20 Jahren errichtetes, sehr geschmackvolles Seitengebäude, welches ebenfalls eine prächtige herrschaftliche Wohnung bietet und dessen Souterrains und Nebenflügel zu Wirthschaftszwecken benutzt werden; die Stallungen und das Gesindehaus finden sich auf der nördlichen Seite, während die Fronte gegen Süden nach dem Eichelberg hin, durch die Scheunen, Schuppen und Brennereigebäude gebildet wird. Sämmtliche Wohngebäude sind mit Schiefer gedeckt und Blitzableitern versehen, und das Gehöfte bildet ein sich abgeschlossenes, mit zwei Thüren versehenes Ganzes und befriedigt das Auge eben so durch die natürliche Regelmässigkeit seiner Anlage, als auch durch die Zweckmässigkeit und Sauberkeit seiner Ausführung. Allein so ist es nicht immer hier gewesen. Denn blicken wir auf die Geschichte zurück, so finden wir, dass in den früheren Zeiten die Ehre eines Rittersitzes dem Dorfe Pirk nicht zu Theil ward, dass sich vielmehr hier früher bloss zwei Vorwerke – „oberen und niederen Bergk“ in alten Urkunden genannt – befanden, die mit der bereits erwähnten zum Gute gehörigen Mühle dem ehemaligen alten und berühmten Rittersitze Türbel angehörten, der sich bei dem nahen Dörfchen Türbel befand und auf dessen noch sichtbaren Ruinen noch heute zu Tage mehrere zum Rittergute Pirk gehörige Wirthschaftsgehäude, darunter die Schäferei mit Wohnung für den Schäfer und eine Scheune befindet. Der alte Rittersitz Türbel aber, das eigentliche Stammgut des jetzigen Pirker Besitzthums, war in den ältesten Zeiten eine der mächtigsten angesehensten Besitzungen des Voigtlandes, wie das schon die Menge der bei demselben ehemals zu Lehen gegangenen Besitzungen in der Umgegend ausser allen Zweifel setzen. Das ehemalige Schloss Türbel selbst, von dem jetzt nur noch einige wenige Rudera zu sehen sind, lag dem Gasthofe zum Rosenthal gegenüber auf einem hohen Felsvorsprung hart an der Elster, hatte, so viel man jetzt noch wahrnehmen kann, zwei tiefe Graben und mehrere Vorfestungswerke, die nach dem Gebrauche und dem Bedürfnisse der damaligen Zeit eingerichtet waren. Wer der Begründer dieses Schlosses [53] gewesen sei, lässt sich nicht ermitteln, unstreitig aber verdankt es, wie auch schon sein Name anzeigt, seinen Ursprung der ehemals auch in hiesiger Gegend heimischen Nation der Sorben-Wenden und diente später nach dem Eindringen der deutschen Eroberer unter dem deutschen König Heinrich dem Finkler mit den übrigen in dieser Gegend gelegenen Burgen und Schlössern zu Wiedersberg, Magwitz, Stein, Dobeneck, Voigtsberg u. s. w. als eine Zweig- und Grenzveste ebenso gegen die unterjochten Bewohner des Landes als gegen von aussen andrängende Feinde. Wer seine ersten Besitzer in dieser Zeit gewesen, ist ebenfalls nicht zu ermitteln, doch nicht ohne Grund vermuthet man in demselben Voigtliche Vasallen und namentlich ward frühzeitig schon in verschiedenen alten Urkunden das edle Geschlecht der Sacke, denen der grösste Theil dieser ganzen Gegend früher zugehörte und deshalb das „Sacksländchen“ genannt ward, als Besitzer und Inhaber des Schlosses Türbel mit „oberen und niederen Bergk“ angegeben, und nur so viel ist gewiss, dass die früheren Besitzer der Veste Türbel zu den angesehensten Vasallen des Voigtlandes zählten. Als der letzte Besitzer von Türbel und Pirk aus diesem Geschlechte wird Nikol Sack im Jahre 1521 erwähnt, der sich bei der Ausbreitung der Reformation im Voigtlande sehr thätig bewiess, deshalb mit Luthern im Briefwechsel stand, aber leider das Unglück hatte, dass sein Rittersitz Türbel dabei von den rebellischen Bauern im Bauernkriege 1525 mit niedergebrannt und verwüstet wurde. Von dieser Zeit an scheint man die Brandstätte nicht wieder bebaut, vielmehr den Sitz der zu diesem Schlosse gehörigen Oeconomiewirthschaft der Bequemlichkeit halber in das nahe Dörfchen Pirk verlegt, beide daselbst befindlichen Vorwerke in Eins verschmolzen und daraus sowie aus den zum Burgstadel Türbel eigentlich gehörigen Grundstücken ein Ganzes und zwar denjenigen Gütercomplex gebildet zu haben, wie er sich dermalen noch, jedoch mit Ausnahme des Eichelbergs, der Angerleuten und des Fischerholzes, welche damals zum Schlosse Voigtsberg gehörten und erst am 10. October 1616, von denen von Reitzenstein dazu erkauft wurden, vorfindet. Das edle Geschlecht der Sacke erlosch jedoch in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts mit dem Absterben Nickol Sacks des Jüngeren, worauf ein gewisser Christoph von Beulwitz diese Güter käuflich an sich brachte, der auch damit von dem Churfürsten von Sachsen beliehen ward und bei dessen Familie bis zu Ende des 16. Jahrhunderts auch diese Besitzung geblieben ist. Hierauf brachte Christoph Carl von Reitzenstein dieses Gut käuflich an sich, erweiterte dasselbe durch den obgenannten theilweisen Ankauf des Eichelberges (ein Theil kam an Taltiz) der Angerleuten und des Fischerholzes im Jahre 1616 und vererbte es bei seinem Tode auf seine Söhne Georg Peter, Veit Siegmund, Hanns Friedrich und Adam Ernst von Reitzenstein, die es denn auch am 9. September 1643 zu Dresden vom damaligen Churfürsten Johann Georg I. als ein rechtes Mannlehn sämmtlich in Lehn erhielten, wobei Carl Siegmund und Joseph Adam die Stolzen von Simsdorf als Mitbelehnte auftraten. Der gemeinschaftliche Besitz dieses Rittergutes, das durch den dreissigjährigen Krieg sehr herabgekommen und ruinirt worden war, scheint von Seiten der Gebrüder von Reitzenstein nicht von langer Dauer gewesen zu sein; denn bald darauf traten die der fränkischen Ritterschaft angehörigen Grafen von Tettenbach als Besitzer von Türbel mit Pirk und Geilsdorf auf, denen jedoch schon gegen das Ende des 17. und zu Anfang des 18. Jahrhunderts die Herren von Naundorf auf Geilsdorf folgten, welche aber eben so wenig wie ihre Vorgänger sich dauernd im Besitze dieses Schlosses zu erhalten vermochten, sich vielmehr genöthigt sahen, das Rittergut Türbel mit Pirk nebst allen Zubehörungen und mit allen Rechten und Gerechtigkeiten 1748 an einen bürgerlichen Privatmann Herrn Johann Friedrich Hüttner käuflich zu überlassen, bei dessen Familie und Nachkommen es auch seit dieser Zeit in ruhigem und ungestörtem Besitze geblieben ist. Die beiden dermaligen Besitzer, die Urenkel Johann Friedrich Hüttners, des Begründers dieser Familie, sind die Gevettern Hüttner, Herr Wilhelm und Herr Franz Eduard Hüttner, und es ist sichere Hoffnung vorhanden, dass dieses alte Patriziergeschlecht, das nun seit mehr als hundert Jahren auf diesem Gute sesshaft und heimisch ist und so lange hin in Segen gewaltet und geblüht hat, dessen Name im Lande weit und breit einen gar guten Klang hat, auch für die Zukunft in diesem schönen Besitzthume schalten und walten werde, was um so mehr zu wünschen, als die dermaligen Herren Besitzer stets mit väterlicher Liberalität und in patriarchalischer Weise für das Wohl nicht nur ihrer Untergebenen gesorgt haben, sondern überall, wo es galt, Gutes zu schaffen und zu unterstützen, eine offene Hand hatten und auch gewiss in Zukunft haben werden!

Anlangend die klimatischen Verhältnisse, so ist zu bemerken, dass das Rittergut Pirk, wie es schon seine Lage mit sich bringt, fast von allen im Voigtlande vorkommenden Witterungseinflüssen betroffen wird. Denn während in den tiefen Thälern der Elster und der Feile oft schon lange der Frühling eingezogen ist und Wohnung gefunden hat, deckt und umhüllt das Haupt des Eichelberges noch oft Schnee, Eis und Nebel, und die noch darüber hinaus gelegenen Besitzungen, wie der grosse und kleine Kulm, das Dohnenholz, der Bramacker zwischen Bösenbrunn und Bobenneukirchen haben die Witterung mit den an sie grenzenden Orten und Gegenden gemein. Im Ganzen genommen aber gehört die Gegend von Türbel und Pirk zu den fruchtbaren und gesegneteren des Voigtlandes, und in dem hinter dem herrschaftlichen Gehöfte gelegenen schönen und prächtigen Garten, der seines Gleichen im Voigtlande nur wenige finden dürfte, gedeihen nicht nur alle edleren und feineren Blumen, Gemüse und Gewächse des heimathlichen Bodens, sondern auch das Land, wo die Citronen und Orangen blühen, findet hier seine Vertretung in freudig gedeihenden und lieblich duftenden Bäumen, und in ihrem kühlenden, erquickenden Schatten, den sie während der Sommermonate in der freien Natur gegen drückende Schwüle und Sommerhitze darbieten, gedenkt man unwillkührlich des gemüthlichen Dichters, der in seinem „Spaziergange nach Syracus“ uns so Herrliches und Schönes von den Orangenhainen und Citronenwäldern Welschlands und Siciliens vorplaudert!

Uebergehend endlich zu den statistischen und kirchlichen Verhältnissen, so will man nur kurz bemerken, dass das zum Rittergute Pirk gehörige Areal, welches 526 Acker 175 □ Ruthen beträgt, mit 600316 Steuereinheiten belegt ist, dass bei demselben eine Branntweinbrennerei in Betrieb erhalten wird, und dass die dasige Bierbrauerei, die jedoch dermalen nur zu Bereitung des sogenannten „Haustrankes“ benutzt wird, eins der besten Getränke dieser Art im Voigtlande liefert, wie dies von jeher und männiglich bekannt ist. – Die Rindviehzucht, in echt voigtländischer Race bestehend, ist in vorzüglichem Zustande und dürfte in der Regel an 70 bis 80 Stück betragen; ein Gleiches [54] ist von der Schäferei zu melden, die sich seit Ablösung der Hute und Triftgerechtigkeit eher vermehrt und gebessert, als vermindert und verschlechtert hat, und wenigstens im Durchschnitt auf 500 Stück Schaafe zu zählen ist. Die zum Rittergute gehörige, an der Elster gelegene und seit 1841 neuerbaute Mühle liefert ausser den gewöhnlichen Mühlfabricaten auch Rüb- und anderes Oel, wozu die in Pirk, Geilsdorf und Umgegend nicht selten so prächtig gedeihenden Oelfrüchte an Raps und Rübsen die erforderlichen Stoffe liefern; mit Vorrath an Nutz-, Bau- und Brennholz aller Art ist das Gut ebenfalls reichlich versehen und an Fischerei hat es in der Elster, in der Feile und in seinen Teichen hinlängliche Nothdurft. Weder Kirche noch Schule ist hier vorhanden, sondern das Rittergut und Dorf Pirk mit Türbel ist in allen geistlichen Angelegenheiten nach Geilsdorf gewiesen und wird von da aus mit der Seelensorge und Schulpflege versehen. – Etwas Weiteres noch hinzuzufügen, dürfte überflüssig erscheinen, da die vorstehenden Mittheilungen über alle auf diesen Rittersitz anschlagenden Verhältnisse, soweit es hier gefordert werden kann, hinlänglichen Aufschluss geben und man erlaubt sich zum Schlusse nur noch den frommen Wunsch auszusprechen, dass die dermaligen Herren Besitzer, deren Einsicht und Mühewaltung das Rittergut Pirk seinen dermaligen zeitgemässen Flor verdankt, sich noch recht lange ihrer Schöpfung erfreuen und wie bisher ebenso zum Besten und Segen ihrer Familie und Angehörigen, als zu Nutz und Frommen ihrer Untergebenen, sowie der ganzen Gegend fortwirken mögen!

Dr. G. Jahn in Oelsnitz.