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Schiffer-Meinungen und Gebräuche

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Textdaten
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Autor: Jodocus Donatus Hubertus Temme
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Titel: Schiffer-Meinungen und Gebräuche
Untertitel:
aus: Die Volkssagen von Pommern und Rügen. S. 346–350
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1840
Verlag: Nicolaische Buchhandlung
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Erscheinungsort: Berlin
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Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Google und Scans auf Commons
Kurzbeschreibung:
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[346]
Schiffer-Gebräuche und Meinungen.

Wenn ein neues Schiff gebaut wird, so muß man suchen etwas gestohlnes Bauholz in dasselbe zu bekommen, besonders zum Kiele, oder sonst zu einem Hauptstück. Denn solche Schiffe segeln vorzüglich des Nachts schnell. Man kann es den Schiffen bei Nacht gleich ansehen, ob gestohlnes Holz zum Bau verwendet ist. –

Bei dem Bau eines neuen Schiffes muß man auf den ersten Hieb achten, der in den Kiel gethan wird. [347] Wird dabei ein Feuerfunke sichtbar, so ist das ein Zeichen, daß das Schiff schon auf seiner ersten Reise zu Grunde oder sonst verloren gehen wird. –

Beim Einsetzen des Großmastes in ein neues Schiff muß man unter denselben ein Stück Geld legen. Das Schiff wird dann viel Geld verdienen. Besonders gut ist es, wenn man eine alte, nicht mehr geltende Münze dazu nimmt. Ein Russischer Rubel thut auch sehr gute Dienste.

Wie jedes, oder nach dem Glauben Einiger doch manches Schiff seinen Kalfater oder Klabatermann hat, der den Schiffer warnt, dem Schiffsvolke hilft und das Schiff bis zum letzten Augenblicke beschützt, ist schon unter den Sagen erzählt. –

Ob zum Bau eines Schiffes windbrüchiges Holz genommen ist, besonders zum Mast, zum Bugspriet oder zu den Raaen, kann man bald merken; solches Holz knackt nämlich, wenn es stürmisches Wetter werden will. –

Wenn der Besan- oder Großsegel-Baum knarrt, so bedeutet das, daß entweder der Wind still werden, oder der auf die nächste Windstille folgende Wind aus Osten kommen wird. –

Wenn bei stillem Wetter ein Hund, ohne Veranlassung, die Nase hoch hält und schnuppert, so kommt der nächste Wind aus der Gegend, in welche die Nase gerichtet ist. –

Wenn bei stürmischem Wetter die See überschlägt und einen hohlen, dumpfen Ton von sich giebt, so ist das ein Zeichen, daß es bald gutes Wetter werden wird. –

Wenn man auf See ist, so darf man ja keinen Feuerbrand, auch nicht einmal eine glühende Kohle über Bord werfen, denn sonst giebt es gewiß Sturm. –

Wenn der conträre Wind gar nicht nachlassen will, so muß man in die Gegend, aus welcher man den Wind [348] zu haben wünscht, einen stumpfen Besen, jedoch ohne Stiel, über Bord werfen; man wird dann gewiß alsbald den gewünschten Wind haben. Ohne große Noth muß man aber von diesem Mittel keinen Gebrauch machen, denn man kann nicht wissen, wie stark der Wind wird und es kann leicht Sturm entstehen. Auch schadet man dadurch oft vielen anderen Schiffen. Daher entsteht manchmal großes Schimpfen und Streiten, wenn zwei Schiffe einander begegnen, und das eine dem anderen, welches mit gutem Winde segelt, einen solchen Besen entgegenwirft. –

Ein Brand aus der Schiffsküche soll übrigens nach der Meinung Vieler dieselben Dienste thun. –

Wenn man conträren Wind hat, so darf man am Bord ja nicht flicken oder nähen, denn sonst wird der Wind festgenähet, und kann nicht herum. Bei gutem Winde aber ist das Nähen sehr rathsam, denn dann wird er ebenfalls festgenähet, und man behält ihn. –

Durch Pfeifen wird der Wind gelockt und verstärkt. Man darf daher ja nicht an Bord pfeifen, wenn Sturm ist, denn sonst wird dieser dadurch immer stärker. Bei schwachem Winde oder bei einer Windstille aber ist es sehr gut, wenn man in einem lockenden Tone pfeift. Weil man aber doch nicht wissen kann, ob der Wind dadurch nicht gar zu stark werden möchte, muß man zwischen dem Pfeifen dem Winde einige Schmeichelworte zusprechen, z.B.: kumm old Bröderken; kumm olle Junge! etc.

Aeltere Schiffer brauchen gar nicht einmal zu pfeifen, um den Wind zu locken. Sie sind mit ihm schon bekannter, und brauchen sich nur ans Steuer zu stellen, und einige Male zu rufen: Kuhl up, oll Vader! kuhl up, kuhl up! (Kühl auf, frische auf, alter Vater!); binnen einer Viertelstunde kommt dann gewiß der gewünschte Wind. Sie dürfen aber nur halblaut und in schmeichelndem, vertraulichem [349] Tone rufen, denn sonst möchte er doch etwas zu gewaltig kommen. –

Wenn der Wind gut ist, so muß man ja nicht von ihm reden. Das kann er nicht vertragen, und er schlägt gleich um. Auch darf man ja keine Besorgniß äußern, daß er bald umschlagen könne. Am allergefährlichsten ist es, zu berechnen, wie bald man am Ziele seyn werde; denn man kann ganz gewiß seyn, daß man sich verrechnet, und zweimal rechnen muß. –

Wenn auf der See Vögel an Bord kommen, so muß man sie ja nicht fangen, oder nach ihnen haschen; denn so wie man nach den Vögeln greift, wird man bald nach den Segeln greifen müssen, d.h. es wird Sturm kommen. –

Um guten Wind zu bekommen, hat man auch noch ein anderes Mittel: man muß nämlich einen Besen ins Feuer werfen, und zwar mit dem Stiele nach der Gegend hin, aus welcher der Wind kommen soll. – 18. Einen Todten darf man nicht über 24 Stunden an Bord behalten; sondern man muß ihn binnen dieser Zeit in See werfen; sonst dauert die Reise dreimal länger. –

Um das Schiff vor dem Blitz zu sichern, muß man ein altes und gefundenes Hufeisen vor dem großen Mast über dem Verdeck annageln. Ein halbes thut dieselben Dienste. –

Wenn ein Schiff beladen ist, so muß man aufpassen, wie es steht. Hat es dann Steuerbord-Schlagseite, so wird es eine gute und schnelle Reise haben; andern Falls aber eine lange. –

Wenn ein Matrose wissen will, ob er lange auf dem Schiffe bleiben wird, so muß er das auf folgende Weise machen: Er muß nämlich, nachdem er „gemunstert“ hat, sein „Scheu“ sich rücklings über den Kopf werfen; fällt nun die Spitze nach der Thüre des Gemaches, so bleibt er [350] nicht lange, fällt sie aber nach inwendig, so bleibt er lange am Schiffe. –

Manchmal hat man „Nachtlichter“ auf der See; besonders sind die auf der „Spanischen See“ (dem großen Ocean); wenn man denen begegnet, so hat man bestimmt großen Schaden. Denn wenn auch manche gelehrte Leute sagen, die Flamme entstehe durch das Zusammenschlagen des salzigen Wassers; so ist das doch nichts, und man weiß vielmehr recht gut, daß da, wo solche Lichter sind, ein Mann, welcher der Teufel selbst seyn soll, sich in einer Theertonne auf der See herumtreibt. –

In der Gegend vom Cap der guten Hoffnung treibt sich ein „Nachtkreuzer“ in der See herum. Er kreuzt an alle Schiffe heran, und man sieht aus allen seinen Kanonenluken Feuer brennen; er kommt so nahe, daß man seine Segel hören kann; aber im Wasser rauschen hört man ihn nicht. Man muß sich vor ihm in Acht nehmen, daß man nichts von ihm annimmt, auch nicht einmal einen Brief zur Bestellung; denn dieser Nachtkreuzer soll sich einmal vor schon sehr langer Zeit, in großer Noth dem Teufel übergeben haben, wenn er eine glückliche Reise machen werde. Nachher ist ihm das leid geworden, und er hat dem Teufel den Contrakt aufgekündigt. Nun kann er niemals zu Hause kommen.

Zum Theil mündlich; zum größten Theil aber aus den Acten der Pommerschen Gesellschaft für Geschichte.