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Seite:Die Werke italienischer Meister (Morelli).pdf/456

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man in seinen Bildern, so scheint es mir, auch nicht die leiseste Spur. Die thronende Maria mit dem Kinde, zwei Heiligen und drei singenden Engeln von Girolamo dai Libri (No. 30) hat ebenfalls mehrfachen Schaden gelitten. Die Engel z. B. haben ihren Originalcharakter ganz eingebüßt; die Madonna ist jedoch noch leidlich erhalten und charakteristisch für den Meister. Es ist dies, so viel ich weiß, das einzige Bild dieses Veroneser Malers, das sich in Deutschland befindet. Die schönsten Werke Girolamo’s sind in S. Giorgio, in S. Paolo, in der städtischen Galerie, und eins seiner allerbesten in S. Tommaso zu Verona. Dies letztere herrliche Bild stellt drei Heilige dar[1] und wird an Ort und Stelle irrigerweise dem Carotto zugemuthet. Girolamo dai Libri hat sich doch wohl vorerst unter Liberale, vielleicht auch unter Domenico Morone, und nicht unter dem ja nur um wenige Jahre ältern Francesco Carotto ausgebildet. Die Werke aus seiner Frühzeit (S. Anastasia) erinnern mehr an Liberale als an Mantegna, die spätern an Francesco Morone (S. Giorgio, städtische Galerie).

Der Gardasee und sein Ausfluß, der Mincio, scheiden das Veronesische vom Brescianischen Gebiete und zugleich auch die Malerschule Verona’s von der Brescia’s.

Während ich auf dem linken Ufer des Gardasee’s nur ein einziges Bild aus der Malerschule von Brescia ausfindig machen konnte[2], begegnen uns dagegen auf dem rechten oder Brescianischen Ufer mehrere Werke veronesischer Künstler[3] – eine Thatsache, die, wie mir scheint,


  1. Rochus, Sebastian und Hiob.
  2. In der Kirche von Torre, einem Dörfchen zwischen Garda und Malcesine, ein Bild von Sebastian Ragonese (Aragonese), einem Schüler des Romanino.
  3. In Limone ein freilich sehr verdorbenes Bild von Fr. Torbido, der irrig dem Moretto zugeschrieben; im Dome von Salò: „Christus in der Vorhölle“ von Zenon, 1537; 4. Altar rechts; die HH. Antonius, Sebastian und Rochus mit zwei Stiftern (4. Altar links) von Fr. Torbido; in der Kirche von Desenzano ebenfalls ein Bild von Zenon und anderswo mehr.
Empfohlene Zitierweise:
Giovanni Morelli (Pseudonym Ivan Lermolieff): Die Werke italienischer Meister in den Galerien von München, Dresden und Berlin. Verlag von E. A. Seemann, Leipzig 1880, Seite 437. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Werke_italienischer_Meister_(Morelli).pdf/456&oldid=- (Version vom 31.7.2018)