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sollte, überhaupt nicht mehr zu sehen ist.

     Ich lese: Rudolf Thiel „Luther“, ein sehr anregendes, zweibändiges Werk. – Heute mein Namenstag.

Dienstag, 29. Juni 43.     

     Heute kommt Martha zurück, ich erwarte sie gegen 2 Uhr oder früher. –

     Am Sonntag war unsere kleine Andacht sehr still, denn nur Margret u. die kleine Christa, das Kind aus dem Ruhrgebiet, waren zugegen. Ich stellte zu meiner Freude fest, daß Margret die Antworten im Staffelgebet bereits gut sprach. Wir feierten Fronleichnam u. ich versuchte, den Sinn dieses Festes darzulegen u. die Forderungen, die sich für uns daraus ergeben. Sowas ist immer etwas trocken u. lehrhaft, aber ich bemerkte doch, daß Margret aufmerksam zuhörte. – Die kleine Christa fährt heute wieder nach Hause. Ich bedaure das, denn dieses gute, fromme Kind gab unseren Andachten einen innigen Ton. Gestern war sie in der Bunten Stube u. verabschiedete sich. Bei ihr war eine ältere weibliche Person, die sich als Katholikin zu erkennen gab u. nach einem Gottesdienst fragte. Es ergab sich, daß sie Pflegeschwester für Frau Kuhnke war, die nun ja ihrer Entbindung entgegensieht. Sie schien offenbar anzunehmen, daß unsere Andachten eine öffentliche Einrichtung seien u. fragte nach der Zeit. Ich sagte ihr, daß es sich um eine private Familienangelegenheit handele, zu der ich sie aber einlud, falls sie es wünschte. –

     Gestern erhielt ich von Fritz eine Nachricht, daß jetzt alle Offiziere, die mehr als zwei Jahre in Frankreich sind, nach dem Osten versetzt werden u. daß dies auch für Mannschaften demnächst verfügt werden würde. Es sind bereits entsprechende Erhebungen in dieser Hinsicht bei ihm gemacht worden. Er hofft zwar, daß es sich um reinen Austausch handelt u. er im Osten auch wieder als Buchhändler eingesetzt werden wird, doch scheint mir das mindestens zweifelhaft. – Die Sache beunruhigt ihn sehr, zumal er auch andeutet, daß zwischen ihm u. Margret irgendetwas unklar ist. Vor einiger Zeit gestand uns Margret, daß sie sich über einen Brief von Fritz heftig geärgert hätte, aber ich sehe da noch nicht ganz klar.

Sonntag, 11. Juli 1943.     

     Am vorigen Sonntag war unsere Andacht stark besucht. Am Abend vorher waren zwei Aquinata-Schwestern eingetroffen, längst erwartet. Schw. Marie-Luise u. Schw. Maria. Sie hatten noch eine junge Studentin aus Bln. mitgebracht. Alle drei nahmen an der Andacht teil, dazu noch eine Schwester, die Pflegeschwester bei Frau Kuhnke, u. endlich noch Frau Asta Smith, dazu Martha u. Margret. Es war das Evangelium vom Guten Hirten u. mir gelang eine sehr gute Ansprache. – Am Dienstag traf ein junger Kaplan ein, Gehilfe des Pfarrers Feige aus Pankow. Pfr. Feige ist inzwischen Erzpriester geworden. Seit Mittwoch früh haben wir wieder jeden Morgen Messe. – Am 9. Juli zelebrierte er die Messe für die „Familie Brass“, – das ist mir noch nie passiert, – ich war sehr gerührt. Die Oberin war am Tage vorher ebenfalls eingetroffen u. der Kaplan hatte einen jungen Studenten mitgebracht, der in der Messe diente sodaß ich davon befreit war. Die Schwestern Marie-Luise u. Maria sind gestern wieder nach Bln. zurückgefahren. – Am 9. Juli waren die Oberin, der Kaplan, der Student u. die Studentin Abends unsere Gäste, wir tranken eine Flasche roten Sekt. Die Oberin erzählte von den Bombenangriffen auf Berlin u. von der bedrohlichen Entwicklung der planmäßigen Stimmungsmache gegen die Katholiken, die von Stettin auszugehen scheint. Pfr. D. aus Barth schreibt mir, daß nun auch die beiden Geistlichen aus Greifswald, der aus Wolgast und aus Bergen verhaftet worden sind, teilweise mitsamt der Pfarrhilfe u. Hauspersonal. Es wird planmäßig das Gerücht verbreitet, daß

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Hans Brass: TBHB 1943-06-29. , 1943, Seite 001. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1943-06-29_001.jpg&oldid=- (Version vom 20.5.2024)