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zu uns u. berichtete, daß Margret heute Nachmittag, während Fritz im Geschäft war, an die Mutter einen Brief geschrieben habe, den sie, wie sie es mit all ihren Briefen u. Sachen macht herumliegen ließ, sodaß Fritz in die Lage kam, einige Sätze daraus zu lesen. Sie schrieb darin, sie wüßte nun, daß ihre Ehe kaput gehen würde, sie bereute es, diese Heirat gemacht zu haben, u. das heutige Telegramm zeigte ihr, daß die Mutter sie verstanden hätte. – Daraus geht hervor, daß die Idee dieses Telegramms zwar nicht von Margret stammt u. sie das Telegramm nicht bestellt hat, daß sie aber schon vorher der Mutter in einem Sinne geschrieben hat, daß dieses Telegramm die Antwort darauf war. – Margret hat Fritz diesen Brief verschlossen zur Beförderung übergeben. Wir haben die Sache besprochen: Fritz wird den Brief nun in ihrer Gegenwart öffnen u. ihn lesen u. wird sie zur Rede stellen. Es ist damit bewiesen, daß sie gegen Fritz u. uns im höchsten Grade unehrlich ist u. ein doppeltes Spiel treibt. Sie hat damit endgültig die Voraussetzungen zu einer Ehe zerstört u. es zeigt sich kein Weg mehr, wie das längst erschütterte Vertrauen wieder hergestellt werden soll, nachdem wir alle bis zu diesem Augenblick besten Willens gewesen waren, einen solchen Weg doch noch zu finden. – Armer Fritz.!

     Von Martha Bahnson kam heute ein ausführlicher Brief aus Hamburg. Ihr Haus u. sie selbst mit Schwester sind unversehrt geblieben, die alte Mutter war zufällig in Flensburg bei ihrem Sohn. Es ist der erste Brief aus Hamburg, der mit Klarheit von den Ereignissen berichtet. Alles ist sehr grauenvoll.

     Heute Nachmittag kam das Gerücht auf, der König von Italien habe abgedankt, Kronprinz Umberto sei mit seiner Familie nach Belgien entflohen u. in Italien sei die Räterepublik ausgerufen worden. – Eine Bestätigung dieses Gerüchtes war aber nirgends zu erlangen.

Sonntag, 22. August 1943.     

     Heute früh Andacht. Ich hielt eine kleine Ansprache über das Sonntags-Evangelium vom reuigen Zöllner u. hoffärtigen Pharisäer. Jede Sünde geht auf Stolz u. Hoffart zurück. Eigenliebe. „Ich diene nicht!“ Dieses Thema konnte ich gut auf Margret ausmünzen.

     Mittags kam ein Freund u. Kriegskamerad von Fritz, Pastor Hilscher irgendwo in Schlesien, der momentan ein Kommando in Schwerin hat. –

     Fritz hat gestern Abend Margret wegen des Briefes an ihre Mutter zur Rede gestellt. Sie hat sich nicht weiter verteidigt, wollte bloß den Brief zurückhaben, doch hat Fritz ihn nicht gegeben. Er gab ihn heute morgen mir zur Aufbewahrung. Als Fritz heute morgen nach der Andacht rüberging, – M. war zur Andacht nicht gekommen, – fand er sie ihren Koffer packen, wobei sie weinte. Auf seine Frage antwortete sie, sie wolle nach Schwarzenberg zu ihrer Mutter fahren. Fritz wendete nichts dagegen ein. So ist sie heute Nachmittag abgefahren, ohne vorher das Bedürfnis gehabt zu haben, sich vor uns zu rechtfertigen u. sich von uns zu verabschieden. Was nun daraus werden wird, steht bei Gott, dessen Wille geschehe, Amen!

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Hans Brass: TBHB 1943-08-21. , 1943, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1943-08-22_001.jpg&oldid=- (Version vom 20.5.2024)