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So blieben stets die Juden im Vortheil, wenn es ihnen gelang, die Römer unvorbereitet zu treffen, die Römer aber, wenn die Soldaten auf den Dämmen schon die Vorbereitungen zu einem Ausfall merkten und, Schulter an Schulter geschlossen, die Feinde empfangen konnten. 195 Uebrigens sollte nicht auf diesem Wege das Ende der Belagerung herbeigeführt werden, vielmehr sollte es ein ganz unerwarteter Zwischenfall sein, der die Juden in die Nothwendigkeit versetzte, die Festung zu übergeben. 196 Unter den Belagerten befand sich nämlich ein Jüngling, namens Eleazar, der ein ebensogroßer Wagehals, wie gefürchteter Haudegen war. 197 Er hatte sich an den Ausfällen in hervorragender Weise betheiligt, indem er sowohl die Kämpferscharen zum Sturm auf die Römer und zur Zerstörung ihrer Dammarbeiten anfeuerte, als auch im Handgemenge persönlich den Römern vielfachen und schweren Schaden that. Jenen, die an seiner Seite einen Ausfall wagten, bahnte er stets eine bequeme Straße durch die Feinde und sicherte auch ihren Rückzug, da er dabei immer der letzte war. 198 Einstmal nun, da der Kampf schon zu Ende war, und die beiden feindlichen Parteien sich bereits zurückgezogen hatten, blieb der Jüngling aus lauter Geringschätzung für den Feind, und weil er glaubte, dass keiner mehr den Kampf aufnehmen werde, allein vor dem Thore stehen und plauderte so eifrig mit seinen Leuten auf der Mauer, dass er nur für sie mehr Aug’ und Ohr war. 199 Nicht sobald aber hatte ein Aegyptier aus dem römischen Lager, namens Rufus, diese nur allzu günstige Gelegenheit erspäht, als er auch schon mit Blitzesschnelle, ehe jemand noch einen Gedanken haben konnte, sich auf den Mann warf, ihn in seiner vollen Rüstung emporhob und, während die Zeugen dieser Scene auf der Mauer droben noch starres Entsetzen an die Stelle bannte, mit ihm schon drüben im römischen Lager war. 200 Der römische Feldherr ließ nun dem Gefangenen die Kleider ausziehen und ihn an einer von der ganzen Stadt aus sehr gut sichtbaren Stelle mit Geißelhieben zerfleischen, ein Anblick, der den Juden dermaßen das Herz zerriss, dass die ganze Einwohnerschaft vor Mitleid aufschrie und einen Jammer schlug, als wäre schon die ganze Stadt und nicht etwa bloß ein einziger Mann verloren. 201 Kaum hatte der schlaue Bassus das heraus, als er aus diesem Mitleid eine Schlinge für die Feinde zu machen beschloss. Er wollte nämlich ihr eigenstes großes Herzeleid, sozusagen, auf die Folter spannen, um sie zu zwingen, für die Begnadigung des Jünglings ihm die Veste auszuliefern, was ihm auch nur zugut gelang. 202 Er ließ zu diesem Zwecke ein Kreuz in die Erde einrammen: offenbar sollte Eleazar sofort daran aufgehängt werden! Als die Leute auf der Festung diese Vorbereitungen sahen, schnitt es

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Flavius Josephus: Jüdischer Krieg. Linz: Quirin Haslingers Verlag, 1901, Seite 513. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:JosephusBellumGermanKohout.djvu/513&oldid=- (Version vom 9.2.2020)