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An den ersten Tagen des Pessach-Festes.[1]

„Und ist auch jene Zeit vorbei
Der Sklaven heißes Dürsten,
Und leben wir auch frank und frei
Im Schutze edler Fürsten,
So bringen heute dennoch gern
Die Gotterlösten ihrem Herrn
Des Dankes frommes Opfer.“
 (Büschenthal.)

Mein Gott und Herr! Das Pessachfest ist erschienen, das freudvolle Gedenkfest der Jubeltage, wo du unsere Väter vom unmenschlichen Druck erlöset und mit aufgehobener Hand aus dem traurigen Lande der Knechtschaft in das schöne Land der Freiheit geführt hast, aus der finsteren Umgebung von Wahn- und Irrglauben in das Lichtgebiet der Erkenntniß und des reinen beseligenden Glaubens an dich, mein himmlischer Vater, und an dein Gotteswort.

Mit Rührung und Freude begehen wir dieses Fest, das uns jene glückliche Zeit vor die Augen führt, wo du Israel dir zum Eigenthum erkoren, es von allen Völkern auserwählt, es dir hast angelobt wie der Bräutigam die Braut und an dich geknüpft mit den Fäden der Huld und Liebe; und wo dein Volk wiederum an dir gehangen hat, wie die jugendliche Braut an des Geliebten Arm, wie das Kind am Mutterherzen; dir gefolgt ist voll Gläubigkeit und Treue in ein fremdes unbekanntes Land, mit dir getreten ist hinaus in eine schauerliche Oede und Wüstenei. Ein langer Zeitraum ist seitdem dahingeschwunden, das Herz deines Volkes hat sich seitdem so oft geändert, doch deine Liebe blieb immer dieselbe! – „Der Väter Schutz und Beistand warst du von Ewigkeit, ein Schild und Helfer ihren Kindern nach ihnen durch alle Zeiten.“ Du bist unser Führer, unser Schützer, unser Hort, wie du es von jeher gewesen.

Mehr als ein Mizraim haben wir durchzogen. Haß und Vorurtheil legten ein schweres Joch auf unsern Nacken – doch


  1. Pessach, das Ueberschreitungsfest, ist das Fest der Weihe der Israeliten zu Bekennern des einzigen und einigen Gottes, getragen von der Erinnerung an den wundervollen Auszug aus Egypten. Es beginnt am Abend des 14. Nissan und dauert 8 Tage, von denen jedoch nur die ersten und letzten 2 Tage ganze Feste sind, die 4 Zwischentage aber sind nur Halbfeste.
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Fanny Neuda: Stunden der Andacht. Wolf Pascheles, Prag 1858, Seite 27. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Neuda-Stunden_der_Andacht-1858.pdf/39&oldid=- (Version vom 1.8.2018)