Seite:Samuel zieht die Bilanz und Tomi melkt die Moralkuh oder Zweier Könige Sturz.pdf/87

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Sinne neu und eigen verantwortet. Der geistige GehaltDie Bürger- und die Künstlerseele. seines Werks und der persönliche Fond, dem seine wundervolle Begabung für Form und konkrete Gestaltung zum Träger ward, ist Zuguterletzt dürftig-roh und trivial. Dieser zarte Bourgeois-Romantiker fühlt kühl-verstandesmäßig und ohne elementare Ursprünglichkeit. Was ihm als Eigenstes zugehört, ist der gefühlvoll-zitternde Krankheitsstolz impotenter Tränenseligkeiten. Tönend schlägt er auf den windigen Sack der „Aesthetik“ – ach! er meint die Eselin nur: die dicke, große, braune, nützliche Bürgerkuh... die „Moral“.


Drittes Kapitel.

Zwei Seelen.


Der Konflikt einer Bürger- und einer Künstlerseele ist der Bruch in den Büchern beider Mann. Bei Heinrich aber ist das Problem wurzelhafter zu Gunsten des Künstlers entschieden, während in dem armen Tom die Lübecker Bürger-Vorsteher und Ehren-Senatoren dreier Jahrhunderte rumoren und sich fein- und maßvoll-moralisch indignieren! Heinrich hat sich früher, gewaltsamer, schmerzhafter losgerissen und dabei wohl stärker geblutet. Darum ist er der zwar weniger reinliche, aber reichere Dichter geworden. Seine Register sind voller. Sie bergen freilich die dunkleren Dissonanzen, weil die Musik aus den Schmerzen des Heimatlosen bricht, deren Ueberwindung nur große Werke erschafft. Nicht immer aber ist Heinrich der Ueberwinder. Bestimmte Romane (zum Beispiel das Zweirassenbuch) sind.. schlechthin unlauter und schwächlich. Aber wo Heinrich Größe gewinnt, da ist sie von andrer Höhe und Würde, als die Tomis. Es ist die Schönheit nach dem Sturm. Nicht wie bei Tom Vollendung, die vor dem Kampf resigniert. Es ist die Harmonie der versöhnten Kontraste, nicht Tomis kontrastlose Vollkommenheit, die sich klug vom Leibe hält, was sie beunruhigt. Denn Tomi, unser liebes Bürgergöttlein, ist kein Welteinreißer, kein Ahasver, sondern ein im Kunstbereich solide angesiedelter, satter, kleiner Hausbesitzer. Da sitzt er gar goetisch-selbstzufrieden im artistischen Gärtlein und füttert hastlos und rastlos seine harmonischen Romänchen auf. Da mästet er ihre sauberen snobfeinen Sätzchen mit lyrischen Rosinen und reicht ihnen die Nährflasche, mit der sauer angelaufenen Milch der berühmten Bürgerkuh...