TBHB 1943-09-11

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
Autor: Hans Brass
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: TBHB 1943-09-11
Untertitel:
aus: Vorlage:none
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum: 1943
Erscheinungsdatum: Vorlage:none
Verlag: Vorlage:none
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort:
Übersetzer:
Originaltitel: Sonnabend, 11. Sept. 1943.
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Commons
Kurzbeschreibung: Ungekürzte Tagebuchaufzeichnungen vom 11. September 1943
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
unvollständig
Dieser Text ist noch nicht vollständig. Hilf mit, ihn aus der angegebenen Quelle zu vervollständigen! Allgemeine Hinweise dazu findest du in der Einführung.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite


Einführung[Bearbeiten]

Der Artikel TBHB 1943-09-11 zeigt die ungekürzten Tagebuchaufzeichnungen von Hans Brass vom 11. September 1943. Diese Aufzeichnungen erstrecken sich über drei Seiten.

Tagebuchauszüge[Bearbeiten]

[1]
Sonnabend, 11. Sept. 1943.     

[1]      Am Donnerstag Nachmittag erhielt ich von Fritz die Abschrift eines Briefes, den sein Schwiegervater an ihn gerichtet hat. Es ist dies der erste Brief den er von Seiten der Familie seiner Frau seit seinem Urlaub überhaupt bekommen hat, – u. wenn ich nicht an Herrn Dr. Bohner geschrieben hätte, so hätte er auch diesen nicht bekommen. Diese Familie stellt wahrhaftig einen Gipfel an Gewissenlosigkeit dar. Herr Dr. B. bedauert zwar, daß seine Tochter fortgelaufen ist u. er teilt Fritz mit, er habe ihr geschrieben, daß sie zurückkehren solle, – doch diese denkt garnicht daran. Im Uebrigen aber steht Herr B. ganz auf der Seite seiner Tochter. Selbst die gewissenlose Haltung seiner Frau, die in diesem ganzen Spiel ganz offensichtlich der treibende Keil gewesen ist, findet Herr B. eine harmlose „Frauenlist“, wie sie durch die Jahrtausende gehe u. die nur Wert wäre, darüber zu lachen. Zu dieser Sache hat Herr B. nichts weiter zu sagen, als daß es unfair von Fritz gewesen wäre, einen Brief Margrets an diese Mutter zu öffnen u. zu lesen. Diese Haltung ist einfach unbegreiflich. Sonst ist der ganze Brief in einer seichten, großväterlichen Heiterkeit gehalten u. durchaus wohlwollend u. es ergibt sich daraus, daß dieser Mensch nichts ist als ein intelligenter Feigling u. Trottel.

     Ich habe sofort an Fritz geschrieben u. ihm Anhaltspunkte gegeben, in welcher Weise er diesen Brief beantworten solle, denn er bat mich darum. Nachdem ich meine Antwort in den Kasten geworfen hatte, ging ich mit Martha spazieren wegen des schönen Herbstwetters. Draußen trafen wir Prof. Erich Seeberg, der sich uns anschloß u. sehr erstaunt war, als er hörte, daß weder wir noch Fritz bisher eine Nachricht von Margret bekommen hätten. Er erzählte uns, daß ein Brief von Margrets Mutter an seine Frau eingetroffen sei. Seine Frau sei momentan in Berlin u. er habe den Brief geöffnet u. ihn nur flüchtig überlesen. So weit er sich erinnere, stand darin, daß Margret einen Scheidungsantrag stellen wolle. – Wir waren natürlich auf's Höchste verblüfft, – auf meine Frage, welchen Scheidungsgrund Margret denn habe, sagte er, das wisse er nicht. Er war offenbar selbst höchst empört über diese Mitglieder seiner Familie. Er sagte mir, daß er nicht ganz genau wisse, ob das mit der Scheidung wirklich so im Briefe stehe, wie er es jetzt übersetze, – aber dem Sinne nach doch so ähnlich, – er würde mich später anrufen u. mir Genaueres sagen. – Martha u. ich gingen dann nachhause u. ich schrieb an Fritz sofort einen zweiten Brief, in welchem ich ihm diese Begegnung mitteilte u. ihm empfahl, unter diesen Umständen seinem Schwiegervater überhaupt nicht zu antworten. Der Brief ging noch mit gleicher Post ab, so daß Fritz beide Briefe zur gleichen Zeit erhält. Später rief dann Prof. S. an u. sagte mir, er habe den Wortlaut aus der Erinnerung doch etwas übertrieben. Er las mir am Telephon den Brief vor. Er ist offenbar eine Reaktion auf den äußerst scharfen Brief, den ich sofort nach Fritzens Abreise an Margret geschrieben hatte. Frau B. hat daraus entnehmen können, daß alle Seebergs auf unserer Seite stehen – u. das ist ihr äußerst unangenehm. Sie will sich nun an ihre Familie wieder heranmachen u. schreibt davon, daß sie so gern in diesem Winter nach Ahrenshoop gekommen wäre, daß das nun nicht ginge, da Margret sich weigere, nach hier zurückzukehren u. da sie selbst – natürlich ganz unbegründet – in den Verdacht geraten sei, als sei sie bei dem ganzen Zerwürfnis die treibende Kraft gewesen. – Sie spricht also wohl das Wort Scheidung nicht aus, läßt aber erkennen, daß sie mit einer solchen rechne u. spricht auch davon, daß in diesem Falle ihre Tochter Margret die Schuldige sein würde. – Nun also, – es ist somit ganz klar, daß Margret nicht zurückkommen will, daß sie die Ehe nicht fortsetzen will, also eine Scheidung [2] unter allen Umständen wünscht, selbst wenn sie die allein Schuldige ist. Frau B. drückt dann noch die Befürchtung aus, daß wir dabei sehr, „kleinlich“ verfahren würden. Es ist mir nicht klar, was sie damit meint. Vielleicht meint sie, daß wir rachsüchtig sein würden. Sie braucht darin nichts zu fürchten, denn wir werden froh sein, wenn Fritz sich von dieser Person löst. – Das wird das Schwierigste sein, denn er schreibt mir, daß er doch noch sehr an ihr hänge u. von sich aus an eine Scheidung nicht denke, – er hofft vielmehr, daß sich nach dem Kriege, wenn er wieder hier ist, alles wieder einränken läßt. Diese Hoffnung wird in jedem Falle trügen, denn dieser Frau fehlt es einfach an sittlichem Bewußtsein, ein Erbteil von ihren beiden Eltern. –

     Fritz schreibt ferner, daß in der Frontbuchhandlung in Dieppe bereits Mädchen eingesetzt worden seien u. daß er damit rechnen müsse, daß ab 1. Okt. das auch in Le Tréport der Fall sein würde. Damit hätte dann sein schönes Frontbuchhändler-Dasein leider ein Ende u. er muß darauf gefaßt sein, nun zum Schluß doch noch irgendwo als Soldat eingesetzt zu werden. Hoffentlich wird das nicht an der Front sein.

     Nachdem sich die erste Ueberraschung nach Italiens Kapitulation etwas gelegt hat, beginnt sich der Dunst etwas zu heben. Man erkennt, daß in Mittel= oder Norditalien eine deutsche Armee unter Feldmarschall Rommel steht. Da die Engländer inzwischen in Neapel gelandet sind u. wohl sehr rasch die ganze Halbinsel südlich davon in die Hand bekommen werden, scheint sich bei Neapel eine neue Front zu bilden. Nach neuesten Nachrichten haben die Deutschen eine facistische Gegenregierung aufgemacht, doch weiß man nicht, wo sich diese befindet u. wer diese Regierung ist. Ich nehme an, daß sie in Deutschland ist u. vorwiegend auch aus Deutschen bestehen wird. Ferner wird von uns mitgeteilt, daß wir Rom besetzt hätten. Wo Baldoglio ist u. der König mit seiner Familie, ist bis jetzt nicht bekannt. – Ferner haben wir in ganz Südfrankreich u. Norditalien die Stellungen eingenommen, die bisher die Italiener hielten, u. dasselbe ist auf dem ganzen Balkan der Fall. Da gleichzeitig die Russen mit unverminderter Gewalt weiter angreifen u. Gelände gewinnen u. wir im Inlande nur noch Frauen, Kinder u. Mümmelgreise haben, ist mir unerfindlich, woher wir für diese Besetzungen die Soldaten hernehmen wollen, zumal die Anzeichen immer deutlicher werden, daß die Engländer nun bald auch im Norden angreifen werden.

     In dieser Lage erwartete man mit Spannung eine Rede des Führers, die eine Viertelstunde vorher gestern Abend angesagt wurde. Er sprach aus seinem Hauptquartier, las sie ab u. sprach überaus rasch. In 16 – 17 Minuten war er fertig. Inhaltlich bot sie wenig. Er brandmarkte, wie nicht anders zu erwarten war den Verrat Baldoglios u. des Königs u. verherrlichte Mussolini. Wenn seine Schilderung dieses Verrats zutrifft, so stellt diese Sache in der Tat ein Meisterstück an List, Verschlagenheit u. Hinterhältigkeit dar, – indessen bin ich zu gewöhnt daran, daß die Nazis ihren Gegnern skrupellos jede Ehre abschneiden, als daß ich diese Geschichten einfach so glaube, wie sie gesagt werden. – Sodann erklärte der Führer – was ja ebenfalls zu erwarten war, – daß durch das Ausscheiden Italiens die Kiegslage nicht im Geringsten geändert sei, da die italienische Armee so wie so nichts getaugt hätte u. eher eine Belastung für uns gewesen wäre. Er erklärte, daß Teile der italienischen Armee den Verrat nicht mitmachten u. auf unserer Seite weiterkämpften. Es können, das aber wohl nur verschwindende Minderheiten sein. –

     Auswirkungen auf unsere Vasallenstaaten sind noch nicht zu erkennen, mit Ausnahme von Kroatien, das die Gelegenheit benutzte, sich in den Besitz der adriatischen Küste zu setzen, die ihm von Italien bisher vorenthalten worden war. Gefährlich [3] ist jetzt um so mehr der kurz vorher erfolgte Tod des Königs von Bulgarien. Rumänien scheint vorerst bei der Stange zu bleiben, aber aus Ungarn hört man garnichts, – selbst Pressestimmen aus Ungarn anläßlich des Verrats werden in der Zeitung nicht gebracht. Das ist ein trübes Zeichen. – Auch aus Spanien u. Portugal hört man vorerst garnichts. –

     Am Sonntag Abend werden wir bei Erich Seeberg sein, da werden wir über den Brief der Frau Bohner Näheres hören. –