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Topographia Circuli Burgundici: Von der Graffschafft Flandren

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Topographia Germaniae
Graffschafft Flandren (heute: Flandern)
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Aelst
aus: Matthäus Merian (Herausgeber und Illustrator) und Martin Zeiller (Textautor):
Merian, Frankfurt am Main 1654, S. 158–161.
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[158]
V.
Von der Graffschafft
Flandren.

Es ist im vorgehenden gemeldet worden / daß man in Beschreibung der Niederländischen Provintzen / die Ordnung in acht nehme / deren sich Ludovicus Guicciardinus gebraucht; wiewol andere nicht eben also dieselbe nach einander setzen.

Es haben aber Flandren / und dieses Landes Geschichten etliche / und darunter Jacobus Meyerus Baliolanus, und Jacobus Marchantius, beschrieben; der unter andern sagt / daß die jenige / so den Nahmen von dem Brausen und Winden deß Meers herführen / und darmit auff das Lager und Natur der Landschafft sehen / nicht unrecht daran seyen; wiewohl sonsten der höhere und waldechtere Theil deß Landes / Menipiscus von den Menapiis; der Niedere / und bey dem hohen Meer gelegne Flandern genannt worden; der aber nicht allein den besagten Obern / sondern auch schier gantz Niederland verdunckelt habe. Wie dann die Außländer unter den Flemmingern und Flandern nicht nur bloß diese Graffschafft / sondern auch andere Niederländische Provintzen verstehen; gleichwie zu unsern Zeiten / die Holländer / Utrechter / Seeländer / OverIßler / Friesen / Gröninger / ja wohl gar die Geldrer / von vielen / auch bey uns unter einem Nahmen / nemblich der Holländer / verstanden werden. Es sagt aber gedachter Marchantius ferner / daß Flandern ein Theil von Gallia Belgica, oder deß Niedern Teutschlands / seye / so vom Auffgang Brabant / vom Mittag das Hennegöw / vom Abend Artois, und von Mitternacht die See / oder das hohe Meer / zu Gräntzen; und daß solches zum Theil den Königen von Franckreich / zum Theil den Teutschen Käysern / die Lehens Pflichte geleistet; zum Theil / als das eigenthumliche Flandern / darinn Teneramund / Bornheim / und Gerardsberg / keinen Oberherren / als den Flandrischen Fürsten erkannt; der sich daher einen Graffen und Herren in Flandren geschrieben habe. Den Frantzosen habe zwar vor Zeiten ein gar grosser Theil von Flandren gehört / biß Käyser Carl der Fünffte / mit König Francisco Valesio in Franckreich / zu Madrit / und Camerach sich verglichen / und solchen Theil von dem Frantzösischen Lehen frey gemacht; darzu hernach auch Käysers Flandren / als die Alostani, und VVasii, sampt 4. Aemptern kommen; und werde der den Frantzosen vor Jahren verpflichter Theil in Teutsch und Welsch Flandren / wegen der unterschiedlichen Spraach / wider getheilet / so der Fluß Liza, gleich wie die Schelde Käysers- und das eigenthumliche Flandern / von dem übrigen Flandern absondere. Es habe aber gantz Flandern 24. umbmauerte; und ungefehr 34. Stätte ohne Mauren. Und zwar so werden in Teutsch oder Flämisch Flandern / da man Niederländisch redet / nachfolgende mit Mauren umbgebene Stätte gefunden / Gent / Bruck / Ypern / Cortrick / Aldenarden sampt Pamel / Nieuport / Furn / Winoxbergen / Schluiß / Damm / Bierfliet in einer Insel gelegen / Dixmuyd / Cassel / Dunkerke / Grävelinge / Bruchburg / Hülst. Die Stätt ohne Mauren seyen Harlebeck / Ardeburg / oder [WS 1] Rodeburg / Viromak / Torald / Adeburg / Balliol / Tilet / Deinsa / Messin / Menin / Ostburg / Ostende / Blankeberg / Loa / Wasten / Ghistell / Eclon / Caprik / Rosilar / Mittelburg / Poperingen / Rotornak / Hondiscot / Hasebruk. In Welsch / oder Frantzösisch Flandren / seye Lille / Dovay / Orcies / mit Mauren; und dann Armentiers / und Comine / ohne mauren / so aber auch Statt-Gerechtigkeit. In Käysers und dem eingenthumlichen Flandern / Alost / Teneramund / Gerhardsberg / Ninove mit Mauren; Rupelmund / Axele und Saftingen / Stätt ohne Mauren. Zu den obigen Stätten / so ohne Mauren und Thor seyn / werden auch Mardik / Lombardilde (al. Lombartside) / Mude / Houk / Monocharede / gethan; die aber / wie er sagt / kaum Flecken zu nennen. Die

[T100]


[159] Dörffer oder Flecken / (deren viel so groß als die Stätte) könne man nicht wohl zehlen / und ihre Schönheit nit leichtlich glauben. Die fürnehmsten Häfen seynd zu Schluyß / Nieuport / Dunkerken / Ostende und Gräveling / oder wie ers nennet / Grevening. Die berühmtist und bequemiste Flüsse seyen / die Scheld / Lis / und Tenere: die Canäl / oder gegrabne Bäch / bringen auch grossen Nutzen. Biß hieher besagter Marchantius. Petrus Divaeus sagt / lib. 1. rerum Brabanticarum, cap. 2. p. 5. es seye mehr als gewiß / daß Flandren / so jetzt vor die vornehmste Graffschafft [WS 2] in gantz Europa gehalten werde / zun Zeiten Käysers Car. M. so unbekannt gewesen / daß man kaum ihren Namen gewust habe. Lud. Guicc. in Beschreib. Niederlands / p. 230. seqq. meldet / daß Flandren noch deme Artois davon kommen / 3. Theil gehabt / deren der fürnemste / so unter dem Frantzösischen Scepter / eigentlich die Graffschafft genannt / und der Flandrische Fürst für den fürnehmsten Graffen / und einen Mit-Regenten in Franckreich gehalten worden / der bey der Crönung dem König das Schwert vorgetragen. Welche Gewohnheit aber sampt dem Frantzösischen Recht zu Flandren auffgehört / als König Franciscus bey Pavia gefangen worden. Der Ander Theil dependirte vom Römischen Reich / und ward die Herrschafft Flandern genannt. Der Dritte aber war deß Graffen eigen. Er Guicciard. rechnet ferners zu Teutsch Flandern / Gent / Bruck / Ypern / Sluis / Ostende / Neuport / Dunkerken / Biervliet / Winoxbergen / Damme / Dixmude / Vurn / Burburg / Gravelingen / Cassele / Deinse / Cortrick / Oudenarden / Ardenburg / alles umbmauerte Stätte: zu denen er nachfolgende Flecken setzet / als / Oostburg / Middelburg / Monachorede / Blanckenberg / Houck / Aldenburg / Ghistell / Lombartside / Torout / Loe / Hondiseot / Mardik / Poperingen / Belle oder Balliole / Messin / Comine / Werwiik / Menine / Halewin / Wasten oder Warneton / Stegra / Mergem / Hesbruk / Rosselar oder Roullers / Tilet / Eclon / Stechen und Harlebeck. Zu WelschFlandren rechnet er Lille / Dovay / Orchies Lanoie / Espinoie / Armentiers / het Land van Love / Tornick / Mortaine / und Fanum D. Amandi. In Käysers Flandern sagt er ligt Aelst / Ninove / das Ländlein Wasen / sampt vier Aemptern / darunter Hulst / darnach Axelle / Bochout / und Assende: Item 2. Fürstenthümer / Steenhusen / und Gauer: Item unterschiedliche Herrschafften / sonderlich Likerken und Sottegem. Ferners seynd in diesem Theil Teneremund / Geertsberghe / Bornhem und Rupelmund: welche Ort alle gedachter Guicciardin beschreiben thut. In dem jetzigen Frantzösischen Krieg in Flandern wird einer Schantz / Nahmens Lincke / gedacht / darvor der Mareschall Gassion ins Dicke vom Bein / und in die Hande verwundt / Anno 1645. aber gleichwol von den Frantzosen dieses Fort innerhalb 6. Tagen auf discretion erobert worden seye; von dannen / und Bourburg / sich der Hertzog von Orleans gegen Cassel gewendet habe. Item / daß gedachter Hertzog / nach Eroberung Lincke / die Belagerung Bourburg vorgenommen / der Printz von Vranien aber sein Lager bey Maldegen geschlagen hette. Abrahamus Golnitzius hat Anno 1631. diese Graffschafft (so an Macht und Grösse keinem Hertzogthumb weichet / und unter allen Graffschafften der gantzen Christenheit für die gröste gehalten wird) auch / und zwar mehrertheils auß dem obgedachten Marchantio, beschrieben; da er dann / unter anderm sagt / daß solches Land wie ein halbe Insel außgehe / als daß fast allenthalben mit Meer und Flüssen / ausser gegen Hennegöw / umbgeben. Der Boden ist mehrertheils eben / so allerhand Bäume ausser gegen dem Meer trägt; und da die Fische / wegen so vieler Wasser und See / in grosser menge seyn. Hat in der Länge / von der Schelde / und Antorff / biß nach Grevelingen / 33. Meilen / und in der grösten Breite von Dovay / und dem Fluß Scarpe / biß zum Dorff Breskine / gegen Vlissingen über / 24. Meilen / jede von einer Stunde. Der Winter ist allda nit streng / und der Sommer nit zu heiß: der Lufft gesund; es gibt da feiste Ochsen / dauerhaffte / grosse / schöne und gute Pferd; [160] sehr fruchtbare Schaaff; viel Hirsch / wilde Schwein / Hasen / Königlein / Imen / und allerley Vögel; den wolgeschmacksten Buter / Kühe- und Schaaffkäse / in der menge; sehr viel wolriechende und zur Artzney taugende Kräuter / auch Geträide / und Hülsenfrüchte; jedoch deß Geträides / wegen menge deß Volcks / nicht allzeit genug. An Obst / auch an Quiten / Pfersich / etc. ist da kein Mangel. Man findet ingleichem / an warmen Orten / Citronen / Pomerantzen / Limonen und Feigen. Hat 26. zum theil umbmauerte / zum theil offene Stätt / 1154. Dörffer / mehr als 250. Vogteyen / über 27. freye Herrschafften mehr als 130. Clöster / und darunter 157. Apteyen; deren etliche ansehenliche Herrschafften haben / 21. Collegiat-Stiffter / 7. Bistümer / darunter 3. Bischöffe da ihre Wohnung haben. Die Sprach ist Teutsch / welche aber die Oberländer / sonderlich die Schwaben nicht wol verstehen. In den Stätten reden die Burger auch Frantzösisch / so sie der Teutschen Sprach fast fürziehen. Gibt wolgestalte und hertzhaffte Männer / welche sich überflüssigen Haußraths / köstlicher / und unterschiedlicher Kleidung; schöner / und bequemer Gebäu gebrauchen / und mit eingesaltzenem Ochsen- und Schweinenfleisch auff ein lange Zeit in der Küchen versehen. Die Dienstbarkeit und Freyheit durchauß oder gäntzlich wissen die Fläming nit zu ertragen. Seyn einfaltigen und auffrichtigen Gemüts / und lassen ihnen meisten theils am Gesicht ansehen / was sie im Hertzen gesinnet. Seyn so wol in ihrer mütterlichen / als frembder Sprache / beredtsam / fähig guter Künsten / und die nach anderer Nationen Köpffen sich schicken können. Geben gute Mahler / Bildschnitzler / und andere Handwercks- auch Ackerleut. Machen schöne subtile Leinwat / gute Barchet / Tücher / und dergleichen; so sie / wie auch die Teppich wol färben und zurichten. Sie wissen ingleichem das rohe / grobe und graue Saltz / so man auß Franckreich und Spania dahin bringet / gar schön / weiß und wohl geschmack zu bereiten: Sie haben zwar zeitige Trauben / lassen aber den Wein anderswoher in grosser menge bringen / welcher gleichwol von denen / so ihn verkauffen / gar offt und ungestrafft mit Kalch / Schwefel / und andern schädlichen Sachen verderbt wird / daher bey Manns- und Weibspersonen allerley Kranckheiten entstehen. Sie machen auch da Medt / Item ein Getranck von zerstossenen Aepffeln und Birn: und gutes Bier. Den Bettlern / ausser denen / so durch Alter / Kranckheit / und Leibsgebrechen / erarmen / seynd sie nicht hold: ihrer armen Burger Kinder aber versorgen und bekleiden sie / und lassen sie was lernen; die Frembde beherbergen sie / und zwar die starcken eine Nacht; die Krancke aber so lang / biß sie gesund werden. Ihre Sitten seyn auß der Teutschen gravität / und der Frantzosen Munterkeit gemischt. Sie zechen gern / und bißweilen biß sie truncken werden / dardurch dann Zanck und Todschlag / entstehet. Haben viel Garküchen / Spielhäuser und dergleichen. Sie balgen sich auch gern: aber trachten einander nicht mit Fleiß nach dem Leben. Sie haben ihre sonderbahre Gesetz / und wo die ermanglen / so gebrauchen sie sich der Käyserischen. Die unehliche Kinder erben allda ihre Mütter so wol / als die ehelichen. Es können da auch die Frembde zur Obrigkeits-Würde gelangen. Und mögen die Außländische ihrer in Flandren verstorbnen Blutsfreunde Güter erben; welches in Franckreich / Engel- und Schottland / bey denen Frembden / so ohne Testament und Kinder sterben / nicht geschiehet. Vnd dieses auß dem gedachten Göln. Der neue Atlas sagt / es hetten vorzeiten auch zu Flandern die Graffschafften Beunen / Calis / Teruanen / Artois und S. Paul gehört. Es seyen in gantz Flandren 31. Höffe / oder hohe Justitien, in Latein Fora, oder Conventus Juridici, und in Flämisch Casselreyen genant / für welchen alles / was in Rechtssachen fürlaufft / muß abgehandelt werden. Er theilet aber das Land in TeutschFlandren / 2. FlämischFlandren / 3. WelschFlandren / und 4. in Reichs und eigen Flandren / und gibt einem jedem Theil seine eigne Orth. Es hat sich aber nicht allein durch die vorige Krieg / sondern auch in dem jetzigen Frantzösischen letzten / in diesem Land viel geändert / und stehet in dem [161] allbereit vor etlichen Jahren außgangenem neu-verbessertem Nassauischen Lorbeerkrantz / fol. 6. also: Am meisten hat Flandern (nemblich in den vorigen Niederländischen Kriegen /) außgestanden: viel Stätte / grosse Dörffer und Herrligkeiten / seynd da zu Steinhauffen worden / ja es seyn in Flandern mehr Stätt / Dörffer / Schlösser / Klöster / etc. zu grund und scheitern gangen / dann in einiger der andern Provintzen: ist auch die Zahl der Inwohner mehr dann auff die Halbscheid verringert worden. Die Staaten haben da Schluys / Axele / Ter Neusen / die gantze Insel Casand / Bierfliet / Ardenburg / und etliche Schantzen und Vestungen / (als Isendyck / Philippina / etc.) darzu Andere / Middelburg / und die neulich eroberte Statt Hülst / thun; die auch sagen / daß die Oramonsaci, Morini, Grudii, Gorduni, Pleumosii, die alte dieses Landes Inwohner gewest seyen; welches vorhin eigene Graffen gehabt / so ihren Ursprung von Balduino dem Eisern genommen / der Keysers Caroli Calvi Tochter / die Judith / entführet / und zu S. Omer begraben ligt. Solle Anno 889. gestorben seyn. Nach Abgang seines Stammens / ist solche Graffschafft an andere Geschlecht kommen / und hat endlich Ludovicus Dampetra, weil er zu Mola gebohren / Molanus zugenant / (so Anno 1383. gestorben /) ein einige Tochter / Namens Margareth / verlassen / so Hertzog Philipsen den Kühnen von Burgund / Königs Johannis in Franckreich Sohn / geheurathet / und also Flandren an Burgund gebracht / auß dessen Nachkommen Hertzog Carl der letzte von Burgund / gewesen / dessen einige Tochter Mariam ErtzHertzog Maximilian zu Oesterreich geehlicht / und also durch diesen Heurath / das Hauß Oesterreich Flandren bekommen hat. Und ist noch der Zeit dem König in Spanien gehörig / ausser was Franckreich neulich / wie auch die General Staaten vormals / und jetzt / wie auch oben erwehnet / darinn erobert haben. Zum Beschluß ist noch dieses zu melden / daß es in Flandern / an dem Meer her / viel Sandberge / so sie Duynen / und in dem Meer selbsten / zwischen Flandern und Engelland / allenthalben viel gefährliche Ort / und Untieffen / so sie insgemein Sandbäncke nennen: und daß es in selbiger Gegend vielmals gewaltige See-Treffen / und auch Scharmützel / als in den Jahren 1588. 1605. 1629. (in welchem der berühmte Peter Heyn geblieben /) und 1639. abgeben habe.

Nach kurtzer Beschreibung deß Landes / (darzu Aubertus Miraeus auch die Herrschafften Osthoven / und Warnau / rechnet /) wollen wir jetzt die vornehmste Ort darinn / nach dem A. B. C. besehen / als:


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: oden
  2. Vorlage: Graffschaff: