Zum Inhalt springen

Topographia Electoratus Brandenburgici et Ducatus Pomeraniae: Wenda

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Topographia Germaniae
Wenda (heute: Cēsis)
<<<Vorheriger
Weissenstein
Nächster>>>
Wesenberg
aus: Matthäus Merian (Herausgeber und Illustrator) und Martin Zeiller (Textautor):
Merian, Frankfurt am Main 1652, S. 29–30.
[[| in Wikisource]]
Cēsis in der Wikipedia
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du unter Hilfe
Link zur Indexseite


[29]
Wenda / Wenden / Venda.

Von den Polen Kies genandt / ist ein alter / und vor Jahren berühmter Ort gewesen / allda der Meister deß Lifländischen Ordens Hoff gehalten / und die Landtäge gemeinlich angestellt worden seynd. Anno 1577. den 2. Augusti hat sich Stadt / und Schloß / dem Hertzog Magno von Holstein ergeben / darauff der Großfürst auß der Moscau / in eygener Person / darfür kommen / das Städtlein eingenommen / und das Schloß beschiessen lassen. Hertzog Magnus, den der besagte Großfürst / und Tyrann / Johannes Basilides, zuvor / zum König in Liffland gemacht / und ihme seines hingerichten Brudern Tochter zur Ehe geben hatte / gehet vom Schloß herab / thut dem Großfürsten einen Fußfall / der verzeihet ihm / daß er nicht gehalten / was er versprochen / sondern Kakenhausen / ohn deß Großfürsten Vorwissen / für sich eingenommen / und anders mehr gethan: führet ihn gleichwol eine Zeitlang mit sich / und läst ihn endlich zu Derpt / in der Ruckreise / loß / und zu seiner Gemahlin auff Karkhausen. Die andern auff dem Schlosse allhie zu Wenden hatten keine Rettung / oder Fristung ihres Lebens zu hoffen; daher sie sich zum Tode rüsteten / zuvor aber das H. Abendmal (dabey sich ein sonderlich Wunderwerck / das Salomon Henning im 3. Theil seiner Chronick / fol. 65. seq. erzehlet / begeben) empfingen / und darauff die meisten / deren viel gewesen / sich selbsten / mit Weib / und Kindern / in einem Gemach / mit Pulver in die Lufft sprengten: die übrigen / so der Tyrann / in Eroberung deß Schlosses / bekommen / wurden hingerichtet: zwen vom Adel aber wunderlich / zwar mit grosser Gefahr / beym Leben erhalten. D. Laurentius Müller beschreibet / in seinen obangezogenen Historien / jetzterwehnte That mit folgenden Worten: In Belägerung Wenden ist es so jämmerlich zugangen daß auch etliche fürnehme Frauen / und Jungfrauen / da sie vom Schlosse sehen kondten / was Tyranney die Moscowiter an jung / und alt / ja was Schand / und ubels / sie an Frauen / und Jungfrauen / übeten / und sie darnach mit den Sebeln von einander haueten / haben sie sich in grosser Anzahl / mit etlichen wenig Manns-Person / und ihren kleinen Kinderlein / im Schloß zu Wenden / neben dem grossen Heermeister Saal / in ein starck Gewölb verfüget / Essen / und Trincken / so viel sie übrig gehabt / mit sich genommen / sich mit dem lieben Gott versühnet / und vereiniget / und ihren besten Zierath / und Geschmeide / angeleget; und do sie gesehen / daß jetzt der Moscowiter der Stadt / und Schlosses / mächtig werde / haben sie ihre Kinderlein in ihre Arm gedruckt / das Pulver / so sie zuvor unter das Gewölbe geordnet gehabt / mit einem langen Luntenstabe zum Fenster hinab angezündet / einander gesegnet / Gott angeruffen / und also sich selbst gesprengt. Welche That den benachbarten Städten / und Häusern ja auch der Stadt Riga mercklichen Schrecken / und dem Tyrannen / dem Moscowiter / groß Verwunderung gebracht. Und obwol die Theologi zu Riga wider solche / der Wendischen Frauen / und Jungfrauen / selbst Sprengunge / viel geprediget / und dasselb verdammet / so mag doch ein jeder selbst urtheilen / woran in so grosser Bedrengung / und fürstehender Schand / und Laster / darauff / doch alsobald der Tod auch für Augen war besser gethan sey gewesen. Biß hieher dieser der Rechten Doctor / und gewester Fürstlicher Churländischer Hofrath / im Buchstaben B. ii. der auch sagt / daß diese Stadt Wenden sehr wol / und lustig lige / und daß sie / zur Zeit des Ordens / die Hauptstadt in gantz Lifland gewesen seye / deren Lager sonsten in Lettenia, oder Lettia, bey dem Wasser Aa. Es hat aber noch im besagten 1577. Jahr / der oben bey Treiden gedachte Secretarius, Johannes Bürinck / oder Büring / dieses Wenden / so der Moscowiter / bey seinem Abzug / wol besetzter verlassen / bey der Nacht / und zwar erstlich das Schloß / erstiegen / und viel Reussen darin niedergemacht; Hernach ist er in die Stadt gefallen in welcher er aber mit den Moscowitern viel zuthun gehabt / biß er ihrer mächtig worden. Dann / gleich wie sie im Felde keinen [30] Stand halten; also vertheidigen sie ihre Besatzung gemeinlich desto besser. Er Büring eroberte auch bald hernach die 2. Häuser Lemsel / und Bortnecke / oder Burtnick. Es haben zwar die Reussen im Winter / und zu Anfang deß 78. Jahrs / Wenden wieder / aber zu ihrem grossen Schaden / belagert / dieweil sie von Littauischen Kriegsheer da abgetrieben worden: Und haben in diesem 78. Jahr / den 22. Octobris, die Polen / Schweden / und Teutschen / die Reussen zum andern mal darvor hinweg geschlagen. Und hat sich auch darauff deß Großfürsten Glück allhie gewendet: Wie dann auch vor dieser Zeit dieser Ort den Moscowitern zu wider gewesen / als die offt biß hieher kommen / aber allekeit zurück kehren müssen; Ohne daß man zween neue Freyherren / als Eylhart Krausen / und Johann Tauben / offentlich beschuldigte / daß durch ihre Verrätherey / der Moscowiter hiebevor einmal / und darnach zur Zeit deß Dantzger Kriegs / namblich / als König Steffan auß Poln vor Dantzig lag / zum andern mal / weil er kein Widerstand gehabt / über Wenden gezogen / zu welcher Zeit dann die obenerzehlte grausame That alhie vorgangen ist. Höchstgedachter König Steffan hat hernach angeordnet / daß an statt deß Ertzbischoffs zu Riga / und des Bischoffs zu Derpt / nur ein Bischoff in Lifland seyn / und derselbe seine Residentz allhie zu Wenden haben / und die Stadt Wolmar / Trikaten / Burtnick / und andere darumb gelegene Aempter / zu seinem Stande gebrauchen; doch zu Wenden eine Probstey seyn solte / die von dem Zehenden / und andern Gefällen / ihr Einkommen in acht nehmen möchte. Ist also forthin zu Wenden nicht allein ein Probst / sondern auch ein Bischoff erwöhlet worden / welcher neue Bischoff / Nahmens Johannes Patricius, das Schloß allhie renoviret, und diese 2. Verß über sein Wappen setzen lassen.

Haeresis, et Moschi postquam devicta potestas,
Livonidum primus Pastor Ovile rego.

Er ist Anno 1587. gestorben / und ward an dieses ersten Polnischen Bischoffs statt / An. 88. zum andern Bischoff / Otto Schencking / ein vornehmer Lifländischer Edelmann / erwöhlet / so die Religion geändert / und darauff der erste Probst allhie worden; sonsten der Lateinischen / Polnischen / Teutschen / und Unteutschen Spraachen / erfahren gewesen. Wie es aber so wol mit der Probstey / als dem Bisthumb an diesem Orth / nach dem solchen Anno 1603. und 1617. abermals die Schweden eingenommen / und / vermög deß Anno 1635. mit Polen getroffenen Anstands / biß daher behalten / der Zeit beschaffen / und ob nicht die vorige alte Evangelische Lutherische Religion allda wieder eingeführet worden; darzu ermangelt uns mehrer Bericht.

In Churland / am Strande / bey der Oost-See / nicht weit von Pilten / liget ein Fürstlich Churländisch vornehmes und festes Schloß / Windau genandt; welches theils Scribenten / mit der obbeschriebenen Stadt Wenden / in ihren Schrifften vermischen / und auch auff Polnisch Kies nennen. Siehe oben Mitau. Es hat bey diesem Churländischen Windau einen Port / oder Schiffhafen; daher zu erachten / das entweder ein Städtlein / oder ein Flecken / beym Schloß auch ligen werde.