ADB:Alexis, Willibald

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Artikel „Häring, Wilhelm“ von Hermann Palm in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 10 (1879), S. 600–601, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Alexis,_Willibald&oldid=- (Version vom 28. März 2024, 19:28 Uhr UTC)
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Häring: Wilhelm H., pseudonym Willibald Alexis (Romanschriftsteller), geb. am 29. Juni 1798 zu Breslau, entstammte einer Refugié-Familie Namens Harenc aus der Bretagne. In seine Jugendzeit fallen die Schrecken der Belagerung Breslau’s (1806 u. 7), die er später im Taschenbuche Penelope (1837) wahrheitsgetreu geschildert hat. Nach dem Tode seines Vaters, der Kanzleidirector der Kriegs- und Domänenkammer war, siedelte die Familie nach Berlin über, und dort erhielt der Sohn auf dem Werder’schen Gymnasium unter Bernhardi und Spillecke seine wissenschaftliche Ausbildung, welche von der Tieck-Schlegel’schen Richtung seiner Lehrer nicht unbeeinflußt blieb. Im J. 1815 machte er als Freiwilliger im Regiment Kolberg die Belagerung einiger Ardennen-Festungen durch, deren Eindrücke er in seiner Novelle Iblou verwerthete. Seit 1817 studirte er in Berlin und Breslau unter Savigny und Raumer Jurisprudenz und Geschichte, wurde Kammergerichts-Referendar, gab sich aber dem schriftstellerischen Berufe bald in einem Grade hin, der den juristischen ausschloß. Vom J. 1827 ab lebte er in Berlin und führte erst mit Fr. Förster die Redaction des Berliner Conversations-Blattes, seit 1830 allein die des Freimüthigen, legte sie aber 1835 aus Widerwillen gegen die damaligen Parteikämpfe und wegen Beschränkung einer freieren Sprache nieder. Doch nur kurze Zeit entsagte er der litterarischen Thätigkeit, energischer wendete er sich ihr wieder in größeren Productionen zu, betrieb nebenbei aber allerlei praktische Geschäfte, als Häuserkäufe, buchhändlerische Unternehmungen, die Gründung des Seebades Häringsdorf, die Redaction der Vossischen Zeitung und führte so ein höchst unruhiges, bewegtes Leben, bis er im J. 1852 von Berlin nach Arnstadt übersiedelte, wo ihm seit 1860 ein ernstes Leiden das Gedächtniß raubte und sein Leben verdüsterte. Er starb am 16. December 1871. Seine schriftstellerische Laufbahn begann er mit Kritiken in den Wiener Jahrbüchern der Litteratur und im Hermes über Scott, Byron, Heine, Immermann etc. Als eigenen ersten productiven Versuch ließ er ein scherzhaftes idyllisches Epos, „Die Treibjagd“, 1820 erscheinen. Eine Folge seiner Studien über England und W. Scott, zugleich auch einer scherzhaften Wette war der Roman „Walladmor“, frei nach dem Englischen des Walter Scott 1823, eine flüchtige Arbeit, die aber in fast alle Litteratur-Sprachen übersetzt und für ein Werk Scott’s aufgenommen wurde, obschon sie nicht als Mystification beabsichtigt war. Unter gleicher Maske erschien 1827 der Roman „Schloß Avalon“ auf gründlichen Studien der englischen Revolution beruhend und vom Lesepublicum ebenfalls als Scott’scher Roman angesehen. Neben diesen größeren Werken schrieb H. eine Menge Novellen in Tieck’scher Richtung (4 Bde. 1830 u. 31, und neue Novellen, 1836 2 Bde.). Von der jungdeutschen Bewegung mit fortgerissen, verfaßte er die Romane „Das Haus Düsterweg“, 1835, und „Zwölf Nächte“, 1838, und gab namentlich in [601] ersterem ein Bild der Zerrissenheit der Zeit im Sinne jener Schule. Schon vorher aber (1832) hatte er mit „Cabanis“ (6 Bde.) die Reihe seiner vaterländischen Romane eröffnet, seiner besten Leistungen, in denen er seinem Vorbilde W. Scott völlig gleichkommt. Er behandelte in ihnen nach und nach die wichtigsten Abschnitte der brandenburgisch-preußischen Geschichte, zwar mit epischer Breite und eingehendster Detailschilderung, aber mit warmem Patriotismus; er belebte scheinbar höchst trockene und unergiebige geschichtliche Partien mit gleicher Virtuosität, wie die dürren Landschaften der Mark Brandenburg, und indem er den specifisch preußischen Geist einzelner Perioden künstlerisch in concreten Persönlichkeiten verkörperte, schuf er treffliche Zeit- und Sittenbilder, wie sie die deutsche Litteratur bis auf ihn noch nicht aufzuweisen hatte. Außer Cabanis sind dies: „Der Roland von Berlin“, 1840, „Der falsche Waldemar“, 1842, „Die Hosen des Herrn v. Bredow“, 1846–48, „Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder vor 50 Jahren“, 1852, „Isegrim“, 1854, und „Dorothea“, 1856. Groß ist außerdem die Reihe seiner kleineren Erzählungen und Geschichten. Auch in zahlreichen Reiseschilderungen und biographischen Bildern („Shakespeare und seine Freunde“, „Anton Reiser“, „Friedrich Perthes“, „Vincke“) bewährte er sein ausgezeichnetes Darstellertalent. Mit Hitzig begann er im J. 1842 im „neuen Pitaval“ eine Sammlung von „Verbrecher-Geschichten“, die zahlreiche Bände umfaßt und weniger durch das juristische Interesse, als durch psychologische Ergründung der Verbrecher aller Länder und durch ihre belletristische Form das Publicum ansprachen. Geringen Erfolg hatten dagegen seine dramatischen Versuche: „Aennchen von Tharau“, 1829, „Der Prinz von Pisa, Lustspiel“, 1843 u. a. Häring’s Verdienste sind wol noch nicht hinreichend gewürdigt; unter den historischen Romanschriftstellern nimmt er einen hohen Rang ein. Seine gesammelten Werke erschienen 1874 in 20 Bänden.

Nowack, Schlesisches Schriftsteller-Lexikon. Goedeke, 3. Bd., S. 640 ff. Julian Schmidt, Neue Bilder a. d. geist. Leben unsrer Zeit, S. 76 ff.