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ADB:Niebergall, Ernst Elias

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Artikel „Niebergall, Ernst Elias“ von Franz Brümmer in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 52 (1906), S. 617–618, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Niebergall,_Ernst_Elias&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 08:05 Uhr UTC)
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Niebergall: Ernst Elias N., Dialektdichter und Novellist, wurde am 13. Januar 1815 als das siebente Kind des großherzoglichen Kammermusikers Johann Georg N. in Darmstadt geboren, wuchs in beschränkten Verhältnissen auf, durfte sich aber nach des Vaters frühem Tode – dieser starb 1826 – der Unterstützung seiner Verwandten erfreuen und konnte nun 1827 das Gymnasium in seiner Vaterstadt besuchen, das er 1832 verließ, um zur Universität Gießen überzutreten, an welcher er als armer Stipendiat keine andere Wahl hatte als Theologie zu studiren. Der revolutionären Bewegung in der Studentenschaft zu Anfang der dreißiger Jahre des vorigen Jahrhunderts, der sich in Gießen unter Niebergall’s Freunden besonders Karl Vogt und Georg Büchner anschlossen, blieb N. fern, da er bald einsah, daß die Reformbestrebungen der Studenten, so ideale und nationale Gesinnung auch immerhin bei Vielen die Triebfeder sein mochte, zu nichts führen konnten. Er fand sich mit den engsten, kläglichsten und langweiligsten Verhältnissen ab, suchte seinen Humor im Wein und wurde schließlich ein Trinker. Noch als Student schrieb N. sein erstes Lustspiel „Des Burschen Heimkehr oder der tolle Hund“ in Darmstädter Mundart, das er dann 1837 einer völligen Neubearbeitung unterzog und auf eigene Kosten unter dem Pseudonym E. Streff drucken ließ. Das Stück, dessen 5. Ausgabe 1899 erschien, ist eine echte und rechte Charakterkomödie, die sich ganz und gar aus einem Charakter entwickelt, und deren Conflict aus einer Persönlichkeit hervorgeht und in derselben beruht. N. erscheint schon in diesem ersten dramatischen Werk als origineller, lyrischer Humorist; es wächst aus seinem Leben organisch hervor. „Er stellt sich keine ‚Probleme‘ zur Verarbeitung, macht keine ‚Studien‘ zu Reflexionen, sondern das Werk entquillt aus innerer Nothwendigkeit seinem Ich und seinem Leben.“ Im Herbst 1835 hatte N., nachdem er sein theologisches Facultätsexamen bestanden, die Hochschule verlassen, und da es nicht in seiner Absicht lag, Geistlicher zu werden, so nahm er zunächst eine Hauslehrerstelle bei dem Forstmeister Reitz in Dieberg an. Hier entstanden bis 1840 eine Reihe von Erzählungen, die zunächst in der „Didaskalia“, der Unterhaltungsbeilage zum „Frankfurter Journal“ erschienen und erst nach Jahrzehnten vereinigt u. d. T. „E. E. Niebergalls gesammelte Erzählungen“ von Franz Harres (1896) herausgegeben wurden. Sie bezeugen, daß N. als Erzähler doch nicht in seiner eigensten Sphäre war und sich leicht durch die Modelitteratur der Romantik beeinflussen ließ. Im Jahre 1840 übernahm N. eine Lehrerstelle an dem Schmitz’schen Knabeninstitut in Darmstadt. Hier entstand noch in demselben Jahre sein zweites Lustspiel in 6 Bildern in Darmstädter Mundart, der „Datterich“, der bei seinem Erscheinen (1841, 8. Aufl. 1899) von der Censur arg verstümmelt und um die glänzendsten Partien gebracht worden war. Dieses Stück, das noch zu Lebzeiten des Dichters mehrmals, wenn auch nur von Dilettanten und kleinen Truppen aufgeführt wurde und auch in neuerer Zeit auf Privatbühnen stets mit jubelndem Erfolge zur Darstellung gebracht wird, ist nicht nur das bedeutendste des Dichters, sondern auch eins der besten Lustspiele der deutschen Litteratur überhaupt. „Es ist eine Tragikomödie von genialem Humor, von so tiefer, sicherer Schöpferkraft und Erfassung der menschlichen Seele, von so starker Realistik, daß es aus dem poetischen Kreise seiner Zeit wie ein Wunder heraustritt.“ Was nun die Behandlung der Mundart betrifft, in der N. seine beiden Dramen geschrieben, so zeichnet sich [618] dieselbe vor allen Dialektdichtern durch die Syntax aus. „Sein Dialog ist in seinem Ursprunge schon mundartlich gedacht, nicht erst hochdeutsch formulirt und dann in die Volkssprache zurück übersetzt. Die Mundart in Niebergall’s Stücken ist durchaus organisch und läßt sich daher nicht von ihnen trennen. Bei einer Uebertragung in die Schriftsprache würden sie daher zwar nichts von ihrer Lebenswahrheit, aber sehr viel von ihrem Humor und ihrem ganzen Stimmungsgehalt einbüßen.“ Im Frühling des Jahres 1843, nachdem die Folgen des Trunkes seinen Körper bereits gebrochen und widerstandsunfähig gemacht hatten, fiel N. in eine schwere Krankheit, der er am 19. April dss. J. erlag. 50 Jahre später gab Dr. Georg Fuchs in München Niebergall’s „Dramatische Werke“ (1894) heraus und leitete sie durch eine mustergültige und erste erschöpfende Biographie ein, welche auch für diesen Artikel als Quelle gedient hat.