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ADB:Bergen op Zoom, Jean de Glimes Markgraf von

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Artikel „Bergen op Zoom, Jean de Glimes, Markgraf von“ von Pieter Lodewijk Muller in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 2 (1875), S. 366–367, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Bergen_op_Zoom,_Jean_de_Glimes_Markgraf_von&oldid=- (Version vom 20. November 2024, 02:41 Uhr UTC)
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Bergen: Jean de Glimes, Markgraf von Bergen op Zoom, geb. 1529 aus einem hochangesehenen und mächtigen belgischen Geschlechte, † 1567, betheiligte sich lebhaft bei den Wirren, welche die niederländische Revolution einleiteten. Zu den vornehmsten, reichsten und fähigsten der sogenannten „Großen Herren“ gehörend – zugleich Ritter des Vließes, Statthalter von Hennegau, Cambray und Valenciennes – und nicht allein seiner Geburt, sondern auch seiner von Allen anerkannten Talente wegen von Regierung und Volk geachtet, trat er bald nach König Philipps Abreise mit den drei im Staatsrath sitzenden Großen, Oranien, Egmont und Horn an die Spitze der Bewegung. Ein heller politischer Kopf, durchaus unbefangen die Ereignisse beurtheilend, war er wol der am meisten ebenbürtige Genosse Oraniens. Ein Feind aller Unduldsamkeit, doch unerreicht selbst von dem Verdachte der Ketzerei, verfolgte er wie die meisten seiner Standesgenossen rein politische Interessen und verbannte das Gewicht der religiösen Momente, welche je länger je mehr in den Vordergrund drangen. Aber Granvella und dessen Regierungssystem hatten keinen heftigern Gegner als B., und der Cardinal vergalt dieses mit bitterem Haß. Er ließ nicht ab, den Markgrafen als den gefährlichsten aller Genossen Oraniens darzustellen, den der König niemals einschüchtern oder überlisten werde, dessen Untergang eine Nothwendigkeit sei, wenn das neue Regierungssystem, die absolute Herrschaft in politischen und religiösen Dingen, festen Fuß fassen sollte. Und was den Cardinal am meisten ärgerte: der vorsichtige B. gab durchaus keine Blößen; er mochte ihn verdächtigen, ihm beweisen konnte er nichts. Als Oranien, Egmont und [367] Horn jenen Brief an den König schrieben, in welchem alle Beschwerden gegen Granvella und dessen System blosgelegt wurden, weigerte er sich bestimmt, mitzuunterzeichnen. Auch später suchte er dem Sturme auszuweichen: als Valenciennes der Heerd des Calvinismus ward, als die Journée des mau-brulés, Alles in Bewegung setzte, blieb er absichtlich aus seiner Statthalterschaft abwesend; er wollte keine Gewalt gegen die Reformation anwenden und sie ebenso wenig mit seiner Autorität schützen. Während die meisten Statthalter wenigstens zum Schein die Gesetze ausführten und die Ketzer verfolgten, weigerte er sich bestimmt, seine Hand der Religion wegen mit Blut zu beflecken. Doch seine Katholicität blieb von allem Verdacht frei, was mit seinem großen Ruf als Politiker ihm wol am meisten die gefährliche Auszeichnung verschaffte, womit[WS 1] die Brüsseler Regierung und seine Standesgenossen ihn beehrten, nämlich die Mission, dem Könige in persönlichem Verkehr die Augen über den Zustand zu öffnen. Als die Bewegung in immer höheren Wellen ging, als sie, nachdem Granvella abberufen, eher zu- als abnahm, als der Compromis des Nobles geschlossen war, und der mittlere und niedere Adel sich statt der Magnaten an ihre Spitze stellten und die bekannte Bittschrift einreichten (Sommer 1566), ward er mit dem Freiherrn von Montigny dazu ausersehen, im Namen der Statthalterei und des Staatsrathes dem König die Beschwerden der Regierung wie des Volkes bloszulegen und deren Abstellung und namentlich Erleichterung der Religionsgesetze zu verlangen. Nur durch persönliches Zureden hoffte man, werde der König sich überzeugen lassen. Es scheint, B. war schon früh von der Hoffnungslosigkeit seiner Mission überzeugt; er weigerte sich lange, die gefährliche Reise anzutreten, von der er nie zurückzukehren befürchtete. Als er sie antrat, traf ihn der Unfall noch, ein Bein zu verwunden; es dauerte lange, bevor er genas, und Vielen schien er dadurch die ganze Sache aufschieben zu wollen. Doch die Ereignisse drängten, die Stimme des Adels und des Volkes, dessen Loyalität unerschüttert war und Alles vom Könige hoffte, rief laut, daß ein fähiger Mann, der sich nicht Egmont überlisten und mit schönen Worten abspeisen ließe, dies Geschäft übernehmen müsse. Noch leidend kam B. in Spanien an, wo er wie sein schon vorausgereister College Montigny sehr ehrenvoll aufgenommen wurde, doch sich bald überzeugte, daß nichts mehr auszurichten sei. Da kam der Bildersturm und warf alle Gedanken an Aussöhnung und Vereinbarung über den Haufen. Die Gesandten wurden bald als Gefangene behandelt. Schon lange kränkelnd, verfiel B. jetzt bald in ein sehr aufzehrendes Siechthum. Vielleicht ward er vergiftet, doch ist dies unbewiesen (Montigny’s Schicksal erlaubt aber nicht an der Möglichkeit zu zweifeln), vielleicht starb er an einer natürlichen Krankheit, vielleicht auch, weil er moralisch vernichtet war, hoffnungslos dem Verderben und der Rache seiner Feinde preisgegeben. Im Frühjahr 1567 ereilte ihn der Tod. Die Regierung belegte seine sämmtlichen Güter mit Beschlag und sprach damit aus, wie sie den Mann ansah, der als der Vertrauensmann der Niederländer zu ihr gesendet und dem keine einzige That gegen die Autorität des Königs oder der Kirche vorzuwerfen war. – Bergen’s Thätigkeit, seine hohe Bedeutung ist erst durch die Eröffnung der Archive bekannt geworden. Bis auf seine Reise ist er nie öffentlich in den Vordergrund getreten, doch war seine Hand in Allem was geschah, seine Stimme eine der einflußreichsten. Schon der Haß Granvella’s, der seine Gegner besser als einer kannte, reicht hin, ihn auszuzeichnen als einen, den nur sein früher Tod hinderte, unter den Führern der Revolution einen Platz neben Oranien einzunehmen.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: momit