ADB:Donner, Raphael
Giuliani und der Maler Altamonte als Laienbrüder, welche die Aufgabe hatten, die durch die Türken schwer geschädigte Kirche und andere Räume der alten Klosteranlage mit ihren Werken neu zu schmücken. Unter dem Einflusse dieser Künstler erwachte in dem Knaben das Verlangen, sich der Kunst zu widmen, und Giuliani nahm ihn in seine Werkstätte auf. D. zeigte, wie es in einer alten Klosteraufzeichnung heißt, ein besonderes Genie. Wo er Ueberreste von Wachskerzen oder Zinndeckel von Gläsern fand, bemächtigte er sich derselben, um in nächtlicher Einsamkeit Wachs zu Modellen zu haben und mit dem Griffel in Metall zu zeichnen. Wie lange D. in Heiligenkreuz unter der Anleitung Giuliani’s blieb, ist nicht bekannt. Aus dem mit seiner Frau Elisabeth geb. Prechtl am 3. Sept. 1724 errichteten Ehevertrag, worin er den Titel „kaiserl. Galanterie-Bildhauer“ führt, geht hervor, daß sich D. am 12. Aug. 1715 verehelicht hatte, mithin schon damals nicht mehr im Klosterverbande gelebt haben konnte. Aus dem Umstande, daß der Künstler bei keinem in dieser Zeit in Wien ausgeführten plastischen Werke Beschäftigung fand, scheint hervorzugehen, daß man dessen Bedeutung nicht zu würdigen verstand. D. kehrte thatsächlich auch der Stadt den Rücken und reiste nach Füßli’s Angabe 1725 in Gesellschaft des Bildhauers Schletterer nach Salzburg, wo er ungefähr zwei Jahre verweilte und sodann in die Dienste des Fürsten Emerich Esterhazy, Primas von Ungarn, als Baudirector trat. In dieser Eigenschaft blieb der Künstler, meist zu Presburg sich aufhaltend, bis 1739, worauf er, einem Rufe des Wiener Stadtrathes folgend, sich in Wien niederließ, um hier an die ihm übertragene Ausführung größerer Werke zu schreiten. Leider beraubte ihn sein Tod der Früchte seines Talentes. Er erhielt wol den Titel eines kaiserl. Kammerbildhauers, der damit verbundene Jahresbezug von 500 fl. reichte nicht aus, um ihn von seinen Geldverlegenheiten zu befreien. Er hinterließ eine solche Schuldenlast, daß seine Wittwe sich geweigert hatte, das Erbe anzutreten. D. wurde auf dem Nicolaifriedhofe der Vorstadt Landstraße begraben. 1784 kamen seine Ueberreste auf den St. Marxer-Friedhof; aber kein Grabstein bezeichnet die Stelle, an welcher sie ruhen. Wie D. sich schon in seiner äußeren Erscheinung als ein eigenartiger Mann ankündigte, indem es ihm entgegen der Sitte seiner Zeit widerstrebte, Zopf und Perrücke zu tragen, ebenso ragt er durch seine künstlerische Individualität weit empor. Sein [336] hoher Sinn für plastische Schönheit trieb ihn an, die Bahnen des Barockstiles zu verlassen, in denen die damaligen Bildhauer Wiens, meist Italiener, wie Cavanese, Stanetti und Stöber, sich bewegten und nach dem Beispiele Peter v. Strudel’s dem Studium der Natur und der Antike zu folgen. Er kehrte, wenn auch nur allmählich und nach vollständiger Durchdringung der Erkenntniß von den Grundsätzen der Plastik dem von falschem Pathos getragenen Idealismus den Rücken, strebte nach Wahrheit des Ausdruckes, nach Anmuth und Grazie der Bewegung und begründete durch das realistische Gepräge seiner späteren Werke, wie Schlüter in Berlin, eine neue Richtung. Von D. haben sich, selbst nach Ausscheidung der ihm fälschlich zugeschriebenen Arbeiten, noch zahlreiche Werke erhalten. Sie sind verzeichnet in der Monographie J. E. Schlager’s über Raphael D., S. 101 (Wien 1848); die Zahl derselben ist ergänzt in den Mittheilungen des österr. Museums für Kunst und Industrie, 1866, S. 30, damit aber keineswegs vollständig, weil noch an anderen Orten, wie in Dresden und Rom, Werke des Künstlers vorhanden sein sollen. Die zwei bedeutendsten Werke R. Donner’s sind die Reiterstatue des hl. Martin mit dem Bettler im Chore der Domkirche zu Presburg in Erz und das Brunnendenkmal am neuen Markt in Wien, in Blei gegossen; die St. Martinsgruppe ist von großem Interesse durch das nationale Gepräge der Hauptfigur, sowie durch die ausdrucksvolle Gestalt der Bettlerfigur. In dem Brunnendenkmale am neuen Markte, vor kurzem noch dem bedeutendsten plastischen Werke dieser Art in Wien, tritt die künstlerische Richtung Donner’s noch entschiedener hervor. Abweichend von den übrigen mit religiösen Darstellungen geschmückten Brunnen der Stadt, griff er zur Allegorie, indem er als Mittelfigur die Vorsicht mit dem Januskopfe, umgeben von vier Kindern, welche wasserspeiende Fische halten, wählte. Und als diese Idee sich im Stadtrathe so großen Beifalles erfreute, daß dieser das Verlangen trug, auch die Ränder des Steinbassins mit Figuren zu schmücken, verfolgte der Künstler seine Idee noch weiter und stellte allegorisch die vier Hauptflüsse dar, welche sich auf niederösterreichischem Gebiete in die Donau ergießen. In der Ausführung zeigte sich ein entschiedener Fortschritt gegenüber der Martinsgruppe in Presburg, indem das etwas derb Naturalistische einer feineren, edleren Formenbildung wich. Zu beklagen ist es, daß dieses Denkmal durch seine Ausführung in weichem Metall mit der Zeit starken Beschädigungen ausgesetzt wurde, so zwar, daß man für nothwendig hielt, die Figuren in Bronce auszugießen, damit dasselbe der Nachwelt erhalten bleibe. Dabei hat aber das Original selbst stark gelitten. – Ob von R. D. die großen Marmorstatuen und Knabenfiguren im Schlosse Mirabell in Salzburg herrühren, ist nicht ermittelt. Zu den übrigen größeren erwiesenen Werken des Künstlers zählen: ein großer Christus am Kreuze in Bronce gegossen, auf dem Calvarienberge, und vier Sandsteinfiguren im Vestibule des fürstlich Grassaleovils’schen Palastes, beide in Presburg, das große Blei-Basrelief Andromache und Perseus beim Rathhausbrunnen, ein Christus am Kreuze in der Burgcapelle, die Bildsäule Kaiser Karls VI. aus Marmor in der Vorhalle des Erdgeschosses im Belvedere, die Marmorbüste des Erzbischofs Sigmund Graf Kollonitz im Stephansdome und eine Kreuzabnahme aus Bronce in der Capelle des Invalidenhauses.
Donner: Georg Raphael D., Bildhauer, geb. zu Eßlingen im Marchfelde 25. Mai 1693, † in Wien 15. Febr. 1741, war der Sohn eines Zimmermannes aus Eßlingen und kam um 1708 zu den Cisterziensern in Heiligenkreuz, wahrscheinlich zu dem Zwecke, um Mitglied des Ordens zu werden. Zu derselben Zeit lebten im Kloster zwei Künstler, der Bildhauer- H. R. Füßli, Annalen der bildenden Künste, Wien 1802. II. – J. G. Schlager, Georg Raphael Donner, Wien 1848. – K. Weiß, Raph. Donner im Jahrbuche des Ver. f. Landeskunde von Niederösterreich II. 347.