Zum Inhalt springen

ADB:Matthäus (Kardinal)

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Matthäus Lang, Erzbischof von Salzburg“ von Heinrich Ulmann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 20 (1884), S. 610–613, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Matth%C3%A4us_(Kardinal)&oldid=- (Version vom 13. November 2024, 06:37 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Matthaei, Konrad
Band 20 (1884), S. 610–613 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Matthäus Lang von Wellenburg in der Wikipedia
Matthäus Lang von Wellenburg in Wikidata
GND-Nummer 119442620
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|20|610|613|Matthäus Lang, Erzbischof von Salzburg|Heinrich Ulmann|ADB:Matthäus (Kardinal)}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=119442620}}    

Matthäus Lang, Staatsmann und Kirchenfürst, zuletzt Erzbischof von Salzburg und Cardinal, war keineswegs, wie lange gefabelt worden ist, der uneheliche Sohn des (nur wenige Jahre älteren) Kaisers Maximilian I., sondern ein schlichtes Augsburger Bürgerkind. Erst später hat er nach dem von ihm erworbenen Schloß Wellenburg an der Wertach bei Augsburg den Namen Lang von Wellenburg erhalten. Er gehört zu jenen interessanten Glückskindern, welche ihr Talent aus sehr einfachen Verhältnissen zur Höhe des Lebens emporträgt. L. hat sich dem Studium wol der Rechte aber auch, wie sein späteres Mäcenatenthum wahrscheinlich macht, der humanistischen Disciplinen auf den Universitäten Ingolstadt, Wien und Tübingen, wo er 1490 Magister wurde, gewidmet und ist an den Hof des Kaisers Friedrich III. gekommen, wo ihm seine geistige Anstelligkeit und besonders seine Sprachgewandtheit ein rasches Fortkommen sicherte. Aus den Diensten des Vaters ist er dann in die des Sohnes getreten, wo er als königlicher Secretär sich rasch geltend zu machen verstand. Vielleicht trifft die Vermuthung nicht daneben, daß er nicht sehr lange nach Maximilian’s Regierungsantritt daran gedacht hat, jene Stellung aufzugeben und seine Kenntnisse als Universitätslehrer zu verwerthen, sei es aus eigenem Trieb, sei es aus Noth veranlaßt, durch die Abneigung des Erzbischofs von Mainz gegen den „schwäbischen“ Rathgeber des Königs. Wenigstenes erklärt es sich so am leichtesten, daß am 18. December 1494 der letztere ihm die eigenthümliche Gnade der licentia doctorandi zu Theil werden ließ mit der Befugniß, an den Hochschulen über Civilrecht zu lesen. Doch hat M. L. diesen Weg nicht eingeschlagen, sondern sich am Hofe behauptet, wo er täglich zunahm an Gnade, so daß er dem König bald völlig unentbehrlich wurde. Er hatte besonders die lateinische und welsche Correspondenz zu führen und gewann rasch solchen Einfluß auf die Geschäfte, daß schon 1495 seine Stimme entscheidend gewesen zu sein scheint z. B. für die Besetzung des Postens des Reichsschatzmeisters. Seit den letzten Jahren des endenden Jahrhunderts suchten kluge Leute seine Fürsprache durch Geschenke sich zu sichern. Maximilians Eigenthümlichkeit gestattete dauernd keinem Rathgeber entscheidende Macht. Aber soweit es bei engem Anschluß an die Gesichtspunkte dieses Königs einem Menschen möglich war, eine bestimmte Einwirkung sich zu sichern, hat M. L. dieser Gewalt auf den Geist des Königs sich erfreut. Man muß in ihm jenes vertrautesten Rathgeber erkennen. Aber nach höherem strebte der glückliche Plebejer, der mit fester Gesundheit und gediegenem Wissen eine große persönliche Gewandtheit und guten politischen Blick verbunden haben muß. Nicht ausschließlich in die Schranken des Amts wollte er gebannt bleiben. Ein erster Schritt auf der Ehrenleiter gelang 1500, da des Königs Wille dem Augsburger Domcapitel unsern M. L. trotz heftigen Widerstrebens als Dompropst aufzwang. In Augsburg wollte man noch lange nachher wissen von der Simonie, mittelst deren der ehrgeizige Candidat den anwesenden päpstlichen Legaten zu seinen Gunsten gestimmt haben sollte. Es würde zu weit führen hier darzulegen, durch welchen Compromiß das adelsstolze Capitel, das den Augsburger Bürgersohn reprobirte, zur Nachgiebigkeit sich bestimmen ließ. Genug, M. L. war Dompropst und als solcher einer der wirksamsten Diplomaten Maximilian’s. Von Residenz in Augsburg oder gar Uebernahme der Obliegenheiten der Pfründe verlautet nichts. Fünf Jahre später erhielt er den Dank für seine weitere [611] Thätigkeit in den Verhandlungen mit Frankreich und während des pfälzischen Erbfolgekriegs durch seine Erhebung zum Bischof von Gurk. Damit hatte er eine Stellung, die seinen Ehrgeiz hätte befriedigen können. Aber er blieb unverdrossen auf der Jagd nach Ehre, Macht und Geld. 1514 entging ihm das erstrebte Bisthum Trient, dafür ward er 1515 Coadjutor des Erzbischofs von Salzburg sehr gegen dessen Willen und trat, kraft des damals ertheilten Rechts der Nachfolge, diese hohe reichsfürstliche Stellung 1519 nach dem Tode seines kaiserlichen Gönners an. Schon längst hatte (1513) Papst Leo X. ihn zum Cardinal vom Titel S. Angeli gemacht (sein Vorgänger war wol nur durch den Tod verhindert gewesen, den schon Ende 1512 feststehenden Entschluß auszuführen). Die von Max begehrte Verleihung der Legatenwürde wußte die Curie jedoch zu vermeiden. Beliebter war durch diese glänzende Carrière der mit Reichthum und Macht prunkende Emporkömmling nicht geworden. In Italien schalt man ihn anmaßend und hochfahrend, nicht wie ein Botschafter, sondern wie ein König hätte er 1511 vom Papst behandelt sein wollen. Im Reich war er einer der bestgehaßten Männer, wie denn 1519 die Kurfürsten von Brandenburg und Mainz schlechterdings in der Wahlfrage sich auf keine Verhandlung einlassen wollten, wenn unserm M. L. die Leitung übertragen würde. Dem gegenüber kann es kaum in Betracht kommen, wenn der stolze Mann, dessen Schritten bei feierlicher Prachtentfaltung wol achtzig Höflinge folgten, und der auf einem Reichstag als älterer Cardinal sogar dem Erzbischof Albrecht von Mainz den Vortritt nicht einräumen mochte, als einen Gönner der Gelehrten sich gern bewies, welche – von ihrem Standpunkt vielleicht nicht mit Unrecht – den hochstehenden Staats- und Kirchenfürsten aus allen Tonarten ansangen und ihn als eine der geistigen Leuchten Deutschlands begrüßten. Es darf ihm wohl geläuterter Geschmack und Sinn für geistige Schöpfungen nicht abgesprochen werden: aber man hüte sich, das individuell berechtigte Lob verpflichteter oder hoffender Poeten zu verallgemeinern. Davor warnt schon die Erfahrung, daß er nicht ebenso bereit war in der Stille einem darbenden Talent aufzuhelfen, wie er bei der Hand war, wenn Preis oder Ehre einzuheimsen war. – Werfen wir noch einen Blick auf seine staatsmännischen Leistungen in den Tagen Maximilian’s, dessen Person er, trotz aller Würden, stets eng attachirt blieb. Sich selbst vergaß er freilich nicht: aus der ihm obliegenden Regelung der italienischen Dinge im J. 1504 für sich und einige eingeweihte Collegen ein schönes Stück Geld herauszuschlagen, hielt er, wie andernorts gezeigt ist, für passend und nothwendig. Es ist ihm trotz dieser damals häufigen Schwäche nicht beigekommen, irgendwem das Interesse seines Gebieters preiszugeben! Die glänzendsten Verlockungen seitens des Papstes Julius II., sowie der Venetianer haben ihn während der Periode der Liga von Cambray von seiner Pflicht nicht abwendig gemacht. Uebrigens darf man in ihm einen Hauptförderer der in dieser Verbindung sich ausprägenden Politik erkennen: er hauptsächlich (neben der Regentin Margarethe) hat jene Liga zusammengeschweißt und durch sein Verhalten in Frankreich 1510 und in Italien als kaiserlicher Generalvicar 1511 zu ihrer Dauer beigetragen. Ganz im Gegensatz dazu hat er 1512 in Rom die Versöhnung mit dem Papst vermittelt. „Der Papst und ich,“ schrieb er damals, „werden eine neue Liga gegen Venedig aufrichten“. Eine nicht minder bedeutende Rolle hat er 1515 beim Zustandekommen der für Oesterreichs Zukunft so wichtigen habsburgisch-jagellonischen Heirathen gespielt. Unermüdlich, in allen Sphären, ausgenommen die des Heerführers, gleich bewandert, hat er klug und entschlossen, gleichgültig gegen den Tadel von der oder jener Seite, treu seinem Herrn gedient bis zu dessen letztem Athemzug. – Dessen Nachfolger wußte den erfahrenen Politiker zu schätzen. Karl V. machte ihn 1519 an erster Stelle zum Mitglied der obersten Regierung für alle österreichischen [612] Lande; an Ferdinand’s Seite zog er 1521 in Linz ein. Aber der centralen Leitung der Geschäfte ist er von da ab, sei es, weil die neuen Herren andere Günstlinge an Stelle des in Deutschland schwer mißliebigen Cardinals vorzogen, sei es, weil es ihn, endlich 1519 Erzbischof von Salzburg geworden, reizte, fortan selbständig zu schalten, fern geblieben. Als Reichsfürst hat er im nächsten Jahrzehnt eine nicht unwichtige Rolle gespielt bei den Bewegungen, welche durch Luther’s Auftreten in unserem Vaterland hervorgerufen wurden. Von vornherein steht er dabei auf Seiten der Altgesinnten, obwohl Luther noch 1521 sich von ihm eines unparteiischen Urtheils versehen zu dürfen geglaubt hat. Aber es steht fest, daß er schon 1521 in seinem Lande ahndend gegen Anhänger der neuen Lehre, z. B. Speratus, eingeschritten ist. Im folgenden Jahre sucht er in seinem Sprengel durch Synodalbeschlüsse bessernd auf den Klerus einzuwirken. Den eifrigen und einflußreichen Fürsten durch Concessionen in der Frage der Suffraganbisthümer weiter fest zu halten, hat man in Rom nicht versäumt. So erscheint er im Fortgang der Bewegung 1524 unter den Begründern des Regensburger Bündnisses und blieb trotz aller Fährlichkeiten dieser Richtung treu, so daß der elende Pack mit gutem Schein 1528 ihn unter den Theilnehmern der Breslauer Verschwörung aufzählen konnte. Das Alter hatte seine Energie so wenig gebeugt, daß er auf dem Augsburger Reichstag von 1530 zu den heißspornigen Verfechtern der Ansicht gehörte, daß man die Protestanten mit Waffengewalt zur Unterwerfung zwingen müsse. So blieb er auch dem Nürnberger Bund des Jahres 1538 nicht fern. Ebenso starr und gewaltsam hatte er sich den Salzburgern gezeigt, wo er nacheinander mit der Geistlichkeit, den Bürgern und den Bauern Conflicte auszufechten hatte. Begünstigung der Domgeistlichkeit machte ihm die Benedictiner der alten St. Petersabtei zu erbitterten Feinden. Bekannt ist, wie er denselben den alt und furchtsam gewordenen Staupitz zum Abt aufdrang. Mit den Einwohnern seiner Hauptstadt, welche schon unter seinem Vorgänger nach reichsfreier Stellung gestrebt hatten, gerieth er um so mehr in Streit, als daselbst die neue Lehre rasch Wurzel geschlagen hatte. Daraus ging der sogenannte lateinische Krieg hervor, dessen Ausbruch im Jahre 1523 den Cardinal zwang, sich nach Hülfe im benachbarten Tirol umzuschauen. Diesmal ward ihm der Triumph am 16. Juli im Harnisch und den Feldherrnstab in der Hand an der Spitze seines Kriegsvolks in die gedemüthigte Stadt einzuziehen und derselben, unter Verlust ihrer Freiheiten, die landesherrliche Gnade aufs Neue zu gewähren. Diese Art Großmuth ließ böses Blut im kranken Körper zurück. Neue, durch die prunkvolle Hofhaltung erforderliche Auflagen und eine blutige Rechtswidrigkeit, zu der sich der Erzbischof im Zorn über einen seiner Autorität angethanen Schimpf durch Einflüsterung seines schon anderswo verhängnißvoll wirkenden Berathers Dr. Volland hatte hinreißen lassen, steigerte die gährende Unzufriedenheit, so daß kaum irgendwo der Bauernkrieg des Jahres 1525 größere Erbitterung der Massen gegen den Landesherrn aufzuweisen hatte, als in diesem Erzbisthum. Mit solcher Gewalt trat die Bewegung auf, daß der Erzbischof Zuflucht suchen mußte auf dem festen Hohensalzburg, wo er nun fast zwei Monate eng belagert wurde. Die erhoffte baierische Hülfe blieb aus und die stattdessen angetragene Vermittelung begegnete im Lande der hartnäckigen Forderung der Resignation des Erzbischofs. Das Salzburger Völkchen wollte überhaupt vom Krummstab nichs mehr wissen; zeigte sich vielmehr geneigt, einen weltlichen Fürsten aus dem Hause Baiern sich zu erkiesen. Hier war man einer solchen Lösung anfänglich durchaus nicht abgeneigt, und wer vermag zu sagen, wozu die Verkettung der Dinge es hier unter den Bundesgenossen von 1524 hätte kommen lassen, wenn sich Baiern mit Oesterreich, welches unter dem Vorwand der Schirmvogtei [613] seinerseits Ansprüche erhob, nicht in die Haare gerathen wäre. So ward denn unter Hülfe des schwäbischen Bundes, dem der Erzbischof inzwischen beigetreten war, die Ordnung in Salzburg wieder hergestellt, so daß M. L. schließlich glimpflich genug aus dem bösen Handel davon kam. Seine Mittel waren freilich durch diesen Bauernkrieg arg mitgenommen. Das Kirchensilber hatte eingeschmolzen werden müssen: auf 300,000 Gulden schlug der Erzbischof seinen Schaden an. – Seit 1538 hört man nichts mehr von dem Cardinal, der in seinen letzten Jahren ganz kindisch geworden sein soll. Er starb in der Charwoche 1540 im 72. Lebensjahre und ward zu Salzburg bestattet. Mit ihm ging der letzte deutsche Bürgersohn dahin, der im Reich vor der großen Säcularisation Inhaber eines erzbischöflichen Sitzes gewesen, zu dem der rücksichtslos sich vordrängende Emporkömmling auch nur durch die besondere Huld des Kaisers Max gelangt war. Alles in Allem eine sehr begabte, aber herrische und verletzend hochmüthige Persönlichkeit, die außerhalb des sie umjauchzenden Poetenschwarmes wenig Freunde gefunden zu haben scheint.

Vgl. über ihn die Angaben der Salzburgischen Geschichtsschreiber und J. D. Kölhler’s historische Münzbelustigungen V. Für seine specielle Wirksamkeit unter Maximilian kann ich nur auf meine Geschichte der Regierung Maximilian’s, Bd. I S. 810 ff. verweisen, da die 1882 erschienene Schrift von A. Schopf: „Ein Diplomat Kaiser Maximilian’s I.“ der Aufgabe in keiner Weise gerecht geworden ist. – Für die erzbischöfliche Epoche sind außer der allgemeinen reformationsgeschichtlichen Litteratur besonders die bekannten Werke von Buchholz, Zimmermann und Jörg benutzt worden.