Extract-Schreibens aus dem Königreich China
[I]
[1] IN disem sich sehr weit außstreckendem Reich / lasset die Hand deß HERRN nit ab mit täglichen Wundern kräfftig zuwürcken. Daß Königreich China / welches der Historischreiber / vnd Weltkündigern Bericht nach / dem vierdten Thail der Welt / so Europa genennt / in der grösse gleichet / hat der Orientalische Tartar-Kayser nunmehr / vnd zu disen zeiten gantz vnder seinem Gewalt / und Herrschung; vnd ist auß dem fürnembsten Sinensischen Stammen niemand mehr übrig / von welchem dises Reich ainige feindliche thätlichkeit zubeförchten / ausser aines / welcher bißhero / gleichwol ohne glücklichen fortgang seiner Waffen / in nechst daran gelegnem Meer mit tausent Meerrauber-Schiffen dasselbig vnsicher stellet; sobald sich diser aber an das Gestatt nahet / vnd zu Land außsteigt / wird er von den Tartarn / als welche jhme an Kriegskunst vnnd Mannlicher stärcke weit überwachsen / nit ohne grosse Niderlag jedesmal wider zuruck getriben. Daß also durch gantz China der Tartar Kayser Xunchius[1] allainig herrschet / welcher zwar noch jung / aber wegen seines hocherleuchten Verstands / tugentlicher Sitten vnd fürnemmlich von der Gerechtigkeit sehr berühmbt ist. Der Societet JEsu Hauß vnd Kirchen allda hat er in kurtzer zeit schon achtzehenmal mit solcher Freundlichkeit besucht / daß sich alle Ständ deß Reichs höchlich darüber verwunderet. Christi vnd vnser lieben Frawen Bildnussen pflegt er jederzeit zuverehren / vnd daß jhme seine Hofherrn dißfalls folgen sollen / mit Befehl / vnd dem Exempel vorzuleuchten. Einsmals an dem Fest deß H. Fronleichnahmbs / hat er disem gleichfalls Ehr bewisen / an welchem Tag mit einem zierlich angestellten Umbgang vnnd Procession dises [2] Wunderwerck der Göttlichen Lieb herumb getragen worden / so in disem weitentlegnem Tartarischen vnd Haydnischen Reich bißhero noch niemand jemalen gesehen / oder erhört.
Vber das hat diser grosse König noch ein offentliches Edict / oder vilmehr ein Lobschrifft außgehen lassen / darinnen er nichts als der Europeer Lob in dem Göttlichen Gesatz / vnnd allerhand Wissenschaft herfürstreichet / vnd damit er sein wunderliche naigung gegen dem Christenthumb nur gnuegsamb an Tag gebe / dise Lobschrifft mit Sinenischen vnd Tartarischen Buechstaben in einen großen Stain eingehauet vor der Kirchen auffrichten lassen: massen er in Krafft diser Schrifft die Christliche Lehr offentlich zupredigen verwilliget / vnd befilcht / daß man die jhme bißhero bekandte rechtglaubige Europeer in disem jhren Werck nit allein nit verhindern / sondern noch über das jhnen in jhrem Weesen helffen / vnd an Hand gehen solle.
Auß seinen fürnembsten Hofherrn einer erinnerte disen Kayser einsmals / daß es wider der Sinensischen Kayser Hochheit vnd Würden seye / auß seinem Pallast zugehen / vmb willen ainiges Privathauß zubesuchen; (warunder er die Wohnung der Societet JEsu / dahin er öffters kommen / verstanden) damit aber diser grosse Potentat / vnd König offentlich an Tag gebe / wie wenig er die erjnnerung geachtet / hat er gleich folgenden Tags erstermelter Societet JEsu Kirchen vnd Hauß mit gleicher Freundlichkeit / als vorhero beschehen / widerumb zubesuchen keinen scheuhen getragen.
Diser Tartarische / vnd jetzt auch der Chinenser Kayser Xunchius / hat mehrermelter Societet JEsu in der grossen Königlichen Residentz-Statt Peckin bereit die ander newe Kirchen [3] erbawen lassen / mit gemessnem hohen Befelch / daß vor dero Porten oder Eingang alle Regenten vnd Herren / was hohen Stands vnd Würden die jmmer seyn / wann sie dahin kommen / von denn Pferdten / Wägen / vnd Tragsesseln oder Senfften darauff sie sitzen / abzustehn verbunden seyn sollen: ebnermassen / als gemainem LandsGesatz / Ordnung vnd Brauch nach vor der Kayserlichen Residentz jedermänniglich zuthun sich so berait / als schuldig erkennet. Ob der Kirchen Porten ist ein groß stainine Bildtnuß vnsers gecreutzigten Haylands / vnd zu beeden seyten zween Engel / so selbigen anbetten / vnder Augen gestellt.
Dises Kaysers grosse Huld / vnd allergnädigiste Bewilligung eröffnet nun dem Wort GOttes Thür vnnd Thor / mit solcher würckung / daß selbiges dermaln in mehrgedachtem Königreich vnd Kayserthumb mehr als vorhero jemaln geprediget / vnd von den vnglaubigen Völckern ohn allen scheuhen / vnd eintzige hindernuß zugelassen / gehört vnnd angenommen wird. Daß also von dises Chinensischen Kaysers so glücklichem anfang / vnd guten Gaben die gröste Hoffnung zuschöpffen / er selbsten werde einsmals durch die vnergründliche Güte vnd Barmhertzigkeit GOttes das Liecht der Evangelischen Warheit völlig erkennen / vnnd mit gesambtem seinem grossen Königreich China würcklichen annemmen[2].
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Kaiser Shunzhi aus der Qing-Dynastie (1638–1661) pflegte freundschaftliche Beziehungen zum jesuitischen Missionar Adam Schall von Bell.
- ↑ Kaiser Shunzhis Toleranz ging immerhin so weit, dass er seine Kaiserin Xiao Hui Zhang (1641–1717) und seinen Kronprinzen, den späteren Kaiser Kangxi (1654–1722), taufen ließ.