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Noch einmal der Fluchtversuch des Prinzen Friedrich

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Textdaten
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Autor: Anton Hack
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Titel: Noch einmal der Fluchtversuch des Prinzen Friedrich
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 7, S. 119
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1873
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[119] Noch einmal der Fluchtversuch des Prinzen Friedrich. Zu dem „alten Familienbild, Hermann von Katte“ in Nr. 39 des Jahrg. 1872 der Gartenlaube ist ihnen vielleicht ein keiner Zusatz mit Beziehung auf den Zusammenhang des dort erzählten Fluchtversuches Friedrich’s des Großen mit dem Dorfe Steinsfurth im badischen Amtsbezirke Sinsheim nicht unangenehm. Auf Seite 635 wird die Reise des Königs mit seinem Sohne nach Süddeutschland angeführt, die Richtung über Ansbach, Ludwigsburg und dann über Mannheim nach Frankfurt angegeben und dabei gesagt: „man konnte die Stadt nicht mehr erreichen und mußte im kleinen Städtchen Sinsheim übernachten“. Hier liegt ein Irrthum hinsichtlich der Oertlichkeit vor. Die Stadt, welche nicht mehr erreicht werden konnte, war nicht Mannheim, welches eine Tagereise von Sinsheim entfernt liegt, und der Ort, wo man übernachten mußte, war nicht das Städtchen Sinsheim, sondern das Dorf Steinsfurth, welches, an der Landstraße von Heilbronn nach Mannheim gelegen, eine kleine Stunde vor Sinsheim von den Reisenden erreicht wurde, daher sie wegen eingetretener Nacht sich gezwungen sahen, in Steinsfurth zu übernachten.

Der Kronprinz hatte schon in Ansbach den Herzog, seinen Schwager, um eines seiner besten Reitpferde angeblich zu einem tüchtigen Spazierritte, eigentlich aber zu einem Fluchtversuche gebeten, was dieser, der den wahren Grund ahnte, nicht bewilligte, weshalb die Ausführung der Flucht bis zum späteren vermuthlichen Nachtquartier in Sinsheim verschoben wurde. Da aber schon in Steinsfurth übernachtet wurde, sah sich der Kronprinz gezwungen, an diesem Orte sein Fluchtvorhaben auszuführen. Die Lage schien gut geeignet; die Reisenden wurden in verschiedenen Scheunen gleich am Anfange des Ortes untergebracht; der Kronprinz schlief mit dem Obersten von Rochow und seinem Kammerdiener gemeinschaftlich in einer Scheune des Jakob Lerch und bewog den königlichen Leibpagen unter dem Vorgeben eines Liebesabenteuers, am frühen Morgen ihn still zu wecken und Pferde bereit zu halten. Dieser verfehlte in der dunkeln Scheune das Lager des Prinzen und weckte den Kammerdiener, der, über die Sache sehr verwundert, sich ruhig verhielt, um das Weitere abzuwarten. Der Kronprinz hatte den Pagen bemerkt und bekleidete sich leise, aber nicht mit der gewohnten Uniform, sondern mit einem französischen rothen Rock, den er sich auf der Reise angeschafft hatte. Kaum hatte er die Scheune verlassen, so erhob sich auch der Kammerdiener, weckte den Obersten und folgte mit diesem, der noch schnell andere Officiere geweckt hatte, dem Kronprinzen nach, den sie an einem Wagen, den Pagen mit den Pferden erwartend, trafen. Der Oberst bat denselben dringend, doch ja sogleich umzukehren und die Kleider zu wechseln, um nicht den König auf’s Höchste aufzubringen. Der Prinz, über die Störung seines Planes verzweiflungsvoll erregt, wollte zuerst die Officiere durch barsches Entgegentreten irre machen, und war schon im Begriffe, sich schnell auf eines der vom Pagen eben herbeigeführten Pferde zu schwingen, als die Officiere ihn ergriffen und trotz der Gegenwehr in die Scheune zurückführten. So war der lange gefaßte Fluchtplan gescheitert. Der Oberst erstattete am Morgen dem König Bericht über das Vorgefallene, ohne über die eigentliche Bedeutung Aufschluß geben zu können. Erst nach der Ankunft in Frankfurt erhielt der König die Meldung des Erlanger Werbe-Officiers von Katte mit dem aus Versehen an diesen statt an den Berliner Vertrauten Hermann von Katte gelangten Schreiben des Kronprinzen mit seinen Anordnungen wegen der vorhabenden Flucht und wurde so von dem wirklichen Vorhaben in Kenntniß gesetzt. Von dem weiteren Verlaufe der nun erfolgten Gefangennehmung des Kronprinzen kann ich im Hinblicke auf die Erzählung der Gartenlaube schweigen, aber über die Oertlichkeit in Steinsfurth möchte ich noch weitere Meldung machen.

Die Scheune, in welcher der Kronprinz geschlafen und von welcher aus er die Flucht versucht hat, steht mit dem anstoßenden alterthümlichen Wohnhause heute noch. In der Familie des jetzigen Besitzers hat sich die Ueberlieferung von Geschlecht zu Geschlecht mündlich fortgeerbt, daß diese Scheune, von Jakob Lerch, einem etwas älteren Zeitgenossen des Kronprinzen, erbaut worden und später der Schauplatz des oben Erzählten wurde. In der Familie vererbte sich auch die Erzählung, der König habe bei der Abreise dem Jakob Lerch ein beträchtliches Geldgeschenk gegeben mit der Aufforderung, die Scheune besser herzustellen, daß es, wenn er wiederkomme, nicht mehr hineinregne. Ja, ich weiß von Einwohnern der zwei ganz naheliegenden Orte Steinsfurth und Rohrbach, deren Quellen jedenfalls hundert Jahre zurückreichen, daß man schon in der frühesten Zeit scherzweise erzählte, wie der König oder Kronprinz zu Steinsfurth in einem Lerchenneste übernachtet habe.

Mit diesem Nachtrage zu Nr. 39 der „Gartenlaube“ wollte ich nur Kenntniß geben für weitere Kreise, daß die interessante Localität noch unverändert existirt und deren geschichtliche Bedeutung von Niemandem aus der Umgegend bezweifelt wird.

Sinsheim bei Heidelberg, im Januar 1873.

Hack, Medicinalrath.