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Ode (Lausizische Monatsschrift 1795)

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
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Autor: Kretschmann (Zittau)
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Titel: Ode an das alte und das neue Jar.
Untertitel: Am ersten Jänner 1795.
aus: Lausizische Monatsschrift, S. 1–3
Herausgeber: Oberlausitzische Gesellschaft der Wissenschaften
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1795
Verlag: im Selbstverlag erschienen
Drucker: Johann Rudolph Unger
Erscheinungsort: Görlitz
Übersetzer: {{{ÜBERSETZER}}}
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Quelle: Google und Scans auf Commons
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[1]

Lausizische Monatsschrift

1795.



Januar. Erstes Stük.

I.
Ode
an das alte und das neue Jar.
Am ersten Jänner 1795.

Entweiche nun, du Jar, das einst so stolz und muthig
Aus Janus offnem Tempel kam;
Dann über Schlachtgefild’ und Aschenhauffen, blutig
Den Weg zum Abgrunde nahm!

5
     Wir sahn in hehrer Pracht dich Phöbus[WS 1] Rosse tragen;

Sein Lorber grünt’ in deiner Hand:
Schnell ward er schreklich uns zur Fakel, und dein Wagen
Von Mavors[WS 2] Pferden bespannt.

     Auf ihm schwingt deine Faust in voller Flammenhelle

10
Sie furchtbar über unsern Rhein;

Es fällt ihr Funkenschwarm in seine Silberwelle,
Samt Ströhmen Blutes hinein.

[2]      Verwittibt fleucht das Weib, es fliehn verwaiste Kinder,
Flucht ihre Hoffnung, Flucht ihr Glük:

15
Selbst Teutschlands Genius, (sonst Roma’s überwinder,)

Weicht einen Fußbreit zurük.

     Gleichwie das Thal erbebt, wenn nun mit Ungewittern
Der Sturm von dem Gebirge fällt,
Wo er den Wald zerbrach; so staunen, oder zittern

20
Die Hemisfären der Welt.


     So sinke nur, mit der betrognen Hofnung Bürde,
Von unsern Seufzern schwer, hinab,
O Jar, daß deine Hand uns Friede bringen würde,
Und dieß Verderben uns gab! – –

25
     Doch, mitten in der Nacht lautdonnernder Getümmel – –

Ha! welch ein sanfter Morgenglanz
Bricht durch das Wolkenheer, vergoldet schon den Himmel,
Und füllt den Erdboden ganz! – –

     Seht, dort beginnet aus des Osts bestralten Thore

30
Ein neues Jar die heitre Bahn!

Ihm geht, wie dem Gestirn des vollen Tags Aurora,
Die Friedenshofnung voran;

[3]      Die leisen Morgenlüftgen säuseln Friede! Friede!
Und tausend Wünsche hallens nach:

35
„O Jar, erfülle nun, uns, muthlos, wund und müde,

Was uns dein Aufgang versprach!“

     Lösch aus die Flamme, die das Innre samt den Eken
Europas zu verschlingen droht!
Entwafne du den Krieg, und den, von allen Schreken,

40
Noch ungesätigten Tod!


     Daß Allamannia und Gallia, die Hände
Versöhnt sich reichen, Speer und Schwerd
Zu Pflug und Sichel werd’, und, gleich der Sonnenwende,
Zurük das Friedensglük kehrt!

45
     Dann wollen wir, vereint mit allen unsern Barden,

Ein stolzes Fest für dich begehn!
Dann soll der Belgier, Iberer, Britten Garden
Gesang den Jubel erhöhn!

     Dann opfern wir, den Zweig von unsern Silberhaaren,

50
Den Kranz, der braunen Loke Zier,

O du wohlthätigstes von diesen hundert Jaren,
Im nächsten Frühlinge dir!


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Phoebos, Beiname des Apollo: römischer Gott des Lichts, der Heilung, des Frühlings; siehe Phoibos
  2. Mavors, Beiname des Mars: römischer Gott des Krieges, dem der Monat März geweiht war; siehe Mars und Mars - Zeno.org