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Aphraates, Rabulas, Isaak von Ninive in der Übersetzung von Gustav Bickell: Ausgewählte Schriften der syrischen Kirchenväter (BKV Band 38)

der selige Rabulas dieses Wunder sah, ging er hinweg voll Staunen in seiner Seele über das Geschehene, fing an wegen der Macht Christi an seinem Heidenthume zu zweifeln und sprach in seinem Herzen, wie er uns selbst erzählt hat, also zu sich: „Wäre es dir wohl eine Schande, die schmachvollen Griechengötter zu verleugnen und den gekreuzigten Gott zu bekennen? Siehe, was das Gedächtniß seines Kreuzes durch die Heilung dieses Weibes in deiner Seele bewirkt hat, und bleibe fest!“ Als aber seine Mutter den Wechsel seiner Gesichtsfarbe sah und das vor seinen Augen geschehene göttliche Ereigniß von seinen Begleitern erzählen hörte, da ging sie ganz außer sich vor Freude zu dem seligen Eusebius, dem Bischof ihrer Stadt, und theilte ihm die Geschichte von ihrem Sohne mit. Der hocherfreute Bischof ließ ihn zu sich kommen und erklärte ihm Vieles aus den heiligen Schriften über Christus. Da er aber für zweckmäßig hielt, daß sein Wort auch von Anderen unterstützt werde, so trug er Sorge, ihn zu dem ehrwürdigen Acacius, Bischof der Stadt Aleppo, mitzunehmen. Denn sie waren Brüder in Christo und hatten in dem ehrwürdigen Kloster gemeinschaftlichen Unterricht empfangen. Als nun Acacius die Ursache ihrer Ankunft erfuhr, freute er sich sehr und empfand viel Mitleid mit Rabulas; deßhalb begann er zu ihm zu sagen: „Mein Sohn, du kannst nur dann die Macht der Wahrheit als Wahrheit erkennen, wenn du einsiehst, daß das, was du weißt, Irrthum ist.“ Jener antwortete darauf: „Wie kann ich wissen, daß das, was ich weiß, Irrthum ist, wenn mir nicht die Wahrheit durch ihr Licht Wahrheit und Irrthum als unterschieden zeigt?“ Acacius aber wies diese Einwendung kräftig zurück, indem er erwiderte: „Du kannst die Wahrheit erkennen, wenn du einsiehst, daß du bisher noch Nichts gewußt hast.“ Rabulas sprach: „Dieses, daß ich einsehen soll, ich wisse die Wahrheit nicht, lehrt mich die Wahrheit nicht kennen, sondern zeigt mir nur von dem Irrthum, daß er Irrthum sei; ich aber will eben die Wahrheit kennen lernen.“ Acacius erwiderte ihm: „Glaube an unseren Herrn Jesum als an den Sohn Gottes; alsdann wirst du die

Empfohlene Zitierweise:
Aphraates, Rabulas, Isaak von Ninive in der Übersetzung von Gustav Bickell: Ausgewählte Schriften der syrischen Kirchenväter (BKV Band 38). Jos. Koesel’sche Buchhandlung, Kempten 1874, Seite 169. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:BKV_Erste_Ausgabe_Band_38_169.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)