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Isaak von Ninive: Ausgewählte Abhandlungen des Bischofs Isaak von Ninive (Bibliothek der Kirchenväter, Band 38)

verfaßt haben; das Manuscript schreibt ihn aber ausdrücklich dem Isaak von Cellia zu, dem bekannten ägyptischen Mönch und Priester aus dem 4. Jahrhundert, welcher für diejenigen Mönche Gottesdienst hielt, die sich als Anachoreten in die Gegend „Cellia“ (in der libyschen Wüste etwa 3 Stunden südwestlich von Nitria) zurückgezogen hatten. Die Vermuthung des Faustus Naironus, Isaak von Ninive sei der Verfasser der syrischen Encyclopädie „Universalbuch für alle Völker“, hat schon Assemani widerlegt.

Inhalt und Bedeutung des großen ascetischen Werkes brauchen wir nicht ausführlich zu besprechen, da der Leser aus den hier übersetzten Abschnitten sich schon ein genügendes Urtheil darüber bilden kann, auch die Zusammenstellung des Ganzen aus einzelnen Abhandlungen eine Disposition ausschließt. Seine Grundgedanken sind die der christlichen Mystik überhaupt, welche, ihrem Wesen nach so alt als das Christenthum selbst, in mehr praktischer Form schon in den Schriften des h. Makarius vollkommen ausgebildet erscheint und kurz vor der Zeit unseres Isaak in den areopagitischen Schriften eine großartige spekulative Basis erhalten hatte. Die mystische Theologie ist, nach der schönen Definition des P. Corderius, eine von Gott eingegossene, den Besitz Gottes zum Gegenstand habende Erfahrungswissenschaft, welche die von jeder Unordnung gereinigte Seele durch die übernatürlichen Akte des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe mit Gott auf’s Innigste vereinigt. Diese Definition umfaßt die drei Stufen des mystischen Weges, die Reinigung von Selbstsucht und Anhänglichkeit an die Welt durch selbstverläugnende Entsagung und Sammlung, die Erleuchtung durch Betrachtung der göttlichen Wahrheiten und Ausübung der übernatürlichen Tugenden, endlich die Vollendung in unmittelbarer Vereinigung der Seele mit Gott bis zur Ekstase der passiven Kontemplation, in welcher die Seele ihre eigene Thätigkeit gewissermaßen ruhen läßt und sich ganz den göttlichen Einwirkungen hingibt. Isaak von Ninive ist einer der ältesten unter den Autoren, welche diese Dinge systematisch

Empfohlene Zitierweise:
Isaak von Ninive: Ausgewählte Abhandlungen des Bischofs Isaak von Ninive (Bibliothek der Kirchenväter, Band 38). Jos. Koese’lsche Buchhandlung, Kempten 1874, Seite 289. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:BKV_Erste_Ausgabe_Band_38_289.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)