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Isaak von Ninive: Ausgewählte Abhandlungen des Bischofs Isaak von Ninive (Bibliothek der Kirchenväter, Band 38)

Seinige zu erinnern, gleichwie auch umgekehrt die Schönheit der Seele nicht ganz aus den geistigen Regungen ausgetilgt wird, selbst wenn sie sich im Zustand der Sünde befinden.

Was Reinheit des Verstandes ist.[1]

Rein an Verstand ist nicht Derjenige, welcher nichts Böses kennt; denn sonst wäre es ja sogar das Thier.

Auch nennen wir Diejenigen nicht rein an Verstand, welche die Natur auf der Stufe der Kindheit gelassen hat; noch verlangen wir Solche, welche niemals die Versuchung zum Bösen erfahren haben, sonst würden wir ja von den Menschen fordern, daß sie nicht zu der Ordnung der geschaffenen Wesen gehören dürften.

Die Reinheit des Verstandes ist vielmehr[2] ein Sichgefangengeben an das Göttliche, welches nach Ausübung vieler Tugendwerke zu Stande kommt.

Selbst Denjenigen wagen wir nicht rein zu nennen, der diese Tugend ohne Versuchung durch entgegengesetzte Gedanken besitzt, denn sonst könnte er ja nicht mit dem Leibe bekleidet sein. Wir aber heben den Kampf der Natur gegen die Widersacher nicht vor der zukünftigen Welt auf.

Unter der Versuchung durch Gedanken verstehe ich jedoch nicht solche, in welche der Mensch einwilligt, sondern den Beginn des Kampfes der Gedanken, welcher durch die vier verschiedenen Ursachen, die zur Aufregung aller Arten von Leidenschaften dienen, im Geiste erregt wird, da es in diesem Leben keinen Menschen gibt, welcher über solche irdische Erinnerung erhaben ist, vielleicht mit Ausnahme der höchsten Kriegsführer.


  1. Die griechische Übersetzung hat diese Überschrift als Frage im Context.
  2. Eine syrische Variante und die griechische Übersetzung haben: „eine Läuterung durch das Göttliche.“
Empfohlene Zitierweise:
Isaak von Ninive: Ausgewählte Abhandlungen des Bischofs Isaak von Ninive (Bibliothek der Kirchenväter, Band 38). Jos. Koese’lsche Buchhandlung, Kempten 1874, Seite 318. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:BKV_Erste_Ausgabe_Band_38_318.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)