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Sanct Peters Haus, die stille Statt,

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Von Wellen leis bespület,

Sein Geist sich ausersehen hat
Vom Ird’schen abgekühlet;
Dort will er dienen Gott dem Herrn,
Von Lust und Pracht der Erde fern.

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Den Abt erquickt der heil’ge Sinn,

Er hebt in’s Schiff den Grafen;
Wohl bringt dem Kloster das Gewinn
Sie stoßen ab vom Hafen.
Schon schwimmt das Schiff auf blauer Fluth –

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Wie wird dem Greise da zu Muth!


Er spricht gerührt: „O fühltet Ihr,
Herr Abt, was ich empfinde!
Es blickt das Wasser auf zu mir,
Wie Mutter nach dem Kinde!

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Denn wißt, bei jenes Hornes[1] Riff

Geboren ward ich einst im Schiff.

Und wenn ich in dem Nachen drin
So sanft geschaukelt liege,
Wird mir wie einem Kind zu Sinn,

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Als ruht’ ich in der Wiege;

Die Mutter lispelt in mein Ohr
Und singt ein Schlummerlied mir vor.“

Derweil sie segeln frisch nach vorn,
Da übermannt’s den Grafen;

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Sie sind nicht ferne mehr vom Horn,

So hebt er an zu schlafen,
Und bei der Ruder gleichem Schlag
Er schlummernd auf dem Schiffe lag.

Und wie das Schiff vorüberzieht,

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Dort, wo er ward geboren,

Da tönt das süße Wiegenlied


  1. Horn heißt am Bodensee so viel wie Landzunge.
Empfohlene Zitierweise:
August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagenbuch 1. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 15. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_015.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)