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An Henkers Hand ersteigt mit festen Schritten

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Er seinen Thron, durch heil’gen Kampf erstritten.


Entblößt, mit Strängen an den Pfahl geschlossen,
Besteht er glorreich noch den letzten Streit.
Ihn mahnt ein Ritterpaar auf hohen Rossen:
„Bereu’ den Wahn am Thor der Ewigkeit!“

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Er wankt nicht, ist vom Fackelrauch umflossen,

Für seinen Gott zu sterben froh bereit;
Ein Bäuerlein wankt her mit schwerem Stamme,[1]
Daß heller, höher Hußen’s Glutbett flamme.

Der lächelt; „Heil’ge Einfalt!“ ruft der Hohe;

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Der Holzstoß brennt. Er singt sein Schwanenlied,[2]

Erblickt sein Paradies, indeß das rohe,
Bethörte Volk Gehenna’s Gluten sieht.
Und höher, dichter steigen Dampf und Lohe;
Die Stimme schweigt, des Dulders Seele flieht

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In lichten Engelreih’n auf Sonnenwegen,

Und hört entzückt des Auferstandnen Segen.

W. N. Freudentheil.

¹) Granikus hieß der Fluß in Phrygien (Klein-Asien) an welchem Alexander der Große die berühmte Schlacht gewann.

²) Durch Ablaßgeld nämlich.

  1. Andere erzählen diese Scene von Hußens Freunde, Hieronymus von Prag (H. von Faulfisch) der ebenfalls zu Costnitz am 30. Mai 1416 den Feuertod starb. – Hieronymus von Prag ist besungen von Ed. Heinel, (Siehe Nro. 47 des Aehrenlesers, v. Jahr 1822). Siehe auch S. Schier’s: Joh. Huß, dramat. Gemälde in 5 Akten. Gotha, 1825.
  2. Nachdem Huß auf den Schindanger geführt worden war, um dort verbrannt zu werden, sprach er zu den Henkersknechten: „Heute bratet ihr mich, wie eine Gans, aber in hundert Jahren wird ein Schwan erscheinen, den ihr wohl ungebraten lassen werdet.“ – Und als der edle Märtyrer den Scheiterhaufen bestiegen hatte und man ihn nochmals aufforderte, durch Widerrufung seiner Irrthümer sein Leben zu retten, gab er zur Antwort: „Ich habe keine Irrthümer zu widerrufen. Zeitlebens war ich bemüht, Jesum Christum, den Weltheiland, zu predigen und dessen Lehren zu verbreiten, wie es seine Apostel gethan; und nun bin ich bereit, dieselben mit meinem Blute zu besiegeln!“ – Hierauf wurde der Holzstoß angezündet; bald loderten die Flammen über Huß zusammen, der mit erhobener Stimme dreimal zum Himmel rief: „Jesus Christus, du Sohn Gottes, du Sohn des lebendigen Gottes, erbarme dich meiner!“ – Da [33] verbarg eine dichte Rauchwolke den sterbenden Helden der umstehenden Menge, und als das Feuer nachließ, sah man seinen Körper halbverbrannt an der noch glühenden Kette hangen. Er wurde sofort auf einen neuen Holzstoß gelegt und seine verglimmende Asche hernach in den Rhein geworfen.
    (Siehe J. Bader’s „Badische Landesgeschichte“ S. 337 ff.)
Empfohlene Zitierweise:
August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagenbuch 1. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 32. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_032.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)