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Himmels, als dem er im Kloster entgegenreifen sollte, ihm erschienen, war das Werk eines Augenblicks. Die erste Bekanntschaft war, schon gelegentlich der Netze, bald angesponnen, und schon einige Abende darauf, von welchen Erwin von Salenstein, so hieß der junge Mann, keinen versäumte, seine Besuche zu wiederholen, auch Unna’s Herz auf’s Innigste mit dem seinigen verwoben. Erwin schwur, eher Alles Andere, denn ein Klosterbruder zu werden und die geliebte Unna sobald als möglich als seine Gattin heimzuführen.

Eines Abends, als er eben wieder hinausfliegen wollte zu dem Ankerplatze seiner Liebe, ließ ihn sein Vater, der alte Vogt Jost von Salenstein, vor sich rufen. „Unglücklicher!“ – sprach er mit finsterer Miene zu dem bestürzten Jüngling, dem seine Bestimmung zum Mönche schon frühe eine gewisse Schüchternheit eingeprägt hatte, von der er sich nimmer ganz zu befreien vermocht, – „Unglücklicher, was mußt’ ich von dir vernehmen? Statt dein Herz zu deinem großen Berufe vorzubereiten, ließest du es von den Netzen einer jungen Dirne umstricken – Still! kein Wort zur Entschuldigung! der alte Fischer hat mir, – Gott sey gedankt, noch nicht zu spät, um einem entsetzlichen Verbrechen vorzubeugen – Alles entdeckt, ja sogar dein Gelöbniß, dich heimlich mit seiner Tochter zu vermählen. So wisse denn, welchem Abgrunde des Verderbens deine Seele nahe war: Unna ist deine leibliche Schwester, das Kind meiner Jugendverwirrung mit der Freyin von Wolfsberg.“

Im tiefsten Mark erschüttert, taumelte Erwin der Thüre zu. – „Wohin, Unbesonnener?“ ruft ihm der Vater ängstlich nach. „Auf ewig von der Schwester Abschied nehmen!“ – antwortet der Jüngling mit tonloser Stimme und stürzt unaufhaltsam hinaus.

Als der letzte Scheidekuß der Sonne auf dem Busen des See’s glühte, brannte auch Erwins von allem Irdischen geläuterter Flammenkuß auf Unna’s Lippen. Bruder und Schwester hatten keine Worte mehr. Sie halten sich lautlos fest umschlungen. Plötzlich wallt der See mit dumpfem Schäumen empor; mit donnerndem Getöse beginnt das Ufer zu beben, es wankt, und mit furchtbarem Krachen versinkt Erdzunge, Hütte und das unglückliche Paar in das gähnende Wogengrab.

Empfohlene Zitierweise:
August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagenbuch 1. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 42. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_042.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)