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schlichen beschämt davon! Bald darauf aber wurde die Wundernonne sammt einem ihrer vertrauten Priester, irriger Lehren bezüchtigt, vor den Offizial in Constanz geladen, wo sie beide, nach vorherigem Widerruf ihrer Irrthümer, mit verdienter Strafe belegt wurden.

(Vergl. K. Walchner’s „Geschichte der Stadt Ratolphszell.“ Freiburg, 1825.)


Die Meeresburg.[1]
(Konradins Sitz um 1262 und 67.)

Hoch über Felsen steht sie aufgebaut
Am Seegestad, daran die Wogen schlagen,
So hoch – was über ihr die Wolke braut,
Scheint sie mit grauen Zahckenreih’n zu tragen.

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Inmitten steht, den Dagobert gesetzt,

Der Thurm, in dem der Schild Martell’s geklungen,[2]
Ein fest Gemäu’r, so stark und unverletzt,
Als ob es sein Jahrtausend übersprungen.

Durch seine Scharten schau ich in das Land

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Weit, weit hinaus, auf sonn’ge Uferstrecken,

Die wie ein Blumenkranz rings um den Rand
Von einem festtäglichen Silberbecken.

Die stillen Schiffe seh’ ich, wie sie sacht
Segel und Masten unter’m Winde neigen;

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Wie einen Mast, daran die Wolke flaggt,

Seh’ ich das Alphorn in die Lüfte steigen.

Und diese Burg – ein fabelhaftes Haus,
Als ob’s ein Mönch gemalt in seinen Psalter!
Mich überwölbt die Decke dieses Bau’s

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Mit bunten Träumen aus dem Mittelalter.


Ein Hornesstoß! es rasselt unterm Thor,
Die Sporen klirren auf den Wendelstiegen; –


  1. [58] Meersburg ist sehr alt und schon der Name deutet darauf hin, daß die Stadt einem Leuchtthurme und den dabei erbauten Fischer- und Schifferhütten ihren Ursprung zu danken habe, da man diesen Thurm nur die Burg am Meere, Meeresburg, nannte. Im 14. Jahrhundert kam Meersburg an das Hochstift Constanz, nachdem es dem Welfischen Hause gehört hatte, vom Kaiser Friedrich I. eingezogen und zum Herzogthum Schwaben geschlagen worden war, woher es Bischof Eberhard von Waldburg entweder vom König Konrad IV. oder von Konradin erworben haben soll
  2. [58] Der Thurm, oder das hohe viereckige Gebäude, der älteste Theil des Meersburger alten Schlosses, ist jetzt von den übrigen Bestandtheilen desselben ganz umbaut. An diesem in fränkischer Bauart errichteten Thurme fand man die Buchstaben C. M. eingehauen, welche auf Karl Martell gedeutet wurden. Seit dem J. 1838 wohnt in diesem Schlosse der Freiherr von Laßberg, der verdienstvolle Beförderer altteutscher Literatur, welcher seine unschätzbare Bibliothek und Handschriftensammlung in dem feuerfesten Archivgewölbe der Bischöfe aufgestellt hat. (Siehe Universallexikon von Baden, S. 767.)
Empfohlene Zitierweise:
August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagenbuch 1. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 56. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_056.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)