Seite:Badisches Sagenbuch 067.jpg

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rührte sich der Bär nicht, dieweil er maustodt war. Deß war der Allgäuer hoch erfreut, schaute um nach seinen Brüdern, und sah mit neuem Schreck, daß alle für todt mäusleinstill auf dem Boden lagen, meinte, er habe sie gar mit dem Spieße hinterrücks erstochen, und erhub ein Wehegeschrei. Als die am Boden Liegenden vermerkten, daß der Bär den Allgäuer nicht aufgefressen, denn sie waren nur vor Schreck dahin gepurzelt, lugten sie vorsichtiglich in die Höh, und wie sie sahen, daß der Bär todt war, erhoben sie sich frisch und gesund, traten um den Bären herum und auf ihn, und untersuchten, wie tief wohl die Wunde sey, die der Spieß ihm beigebracht, fanden aber keine, und der Blitzschwab sagte: „Potz Blitz! Der Bär ist verreckt und schon lange todt!“ – „O ja,“ sprach der Jackli: „Man schmeckt den Braten“. Wurden Eins, dem Bären das Fell abzuziehen und als Siegeszeichen mit zu führen, das Aas aber liegen zu lassen. „Mögen den Bären nun die Schafe fressen, wie er zuvor die Schafe gefressen hat!“ sprach Einer unter ihnen, und so zogen sie fürbaß mit ihrem Bärenfell und ihrem Spieß.

Und da geschah es, daß die guten Gesellen auf ihrer Weiterfahrt an einen weiten blauen See kamen, – so dünkte es ihnen, denn es war alleweil etwas dämmerig geworden, – der schlug Wellen im Wind, und droben an seinem Abhang standen die sieben Schwaben und lugten hinunter, wie sie wohl am geschwindesten über diesen See kommen mochten. Es war aber kein Wasser da drunten, sondern ein Feld voll Flachses, der so recht in seiner schönsten blauen Blüthe stand.

„Potz Blitz!“ rief der Blitzschwab, „was ist da zu thun? Ueber das wilde Wasser müssen wir!“

„Allgäuer, Du trag uns hinüber, wie weiland St. Christoph die Pilgrimsleute!“ sagte der Seehaas. – „Bygoscht!“ antwortete der Allgäuer: „ins Wasser ging ich wohl, wenn’s nicht tiefer ging, als an den Hals.“ Der Nestelschwab griff mit der Hand an seinen Hosenbund, das edle Kleidungsstück fest zu halten, daß es ihm nicht entfalle, während er mit der einen Hand schwimmen thäte; dem Knöpfleschwab war das Ding gar nicht einerlei! er lugte scharf, ob kein Haifisch, Walfisch oder Krokodil im Wasser brause; und so standen auch die Andern ganz

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August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagenbuch 1. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 67. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_067.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)