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Und viel fromme Beter wallten
Zum andächt’gen Chorgesang.

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Bild, steig auf aus jenen Tagen,

Als des Weibes zarte Hand
Stark den Herrscherstab getragen
Weithin über See und Land:
Hedwig, Bild aus schönen Zeiten,

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Die oft Herrschermüh’ vergaß,

Wenn sie, Ekkehard zur Seiten,
An dem Quell der Weisheit saß.[1]

Steig herauf vor unsern Blicken,
Herrlichstes, und werde neu;

35
Füll’ das Herz uns mit Entzücken,

Bild von echter, teutscher Treu!
Bild der Treue, die hier oben
Einst sich ihren Hort gebaut,
Wo sie auf der Feinde Toben

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Oft mit Hohn herabgeschaut.


Kund ward dies in trüben Zeiten,
In des edlen Fürsten Noth,
Als er mußt’ das Erbe meiden
Dem er einst als Herr gebot;

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Als den feindlichen Gewalten

Alles wich und Treu’ vergaß,
Hat dies Haus die Treu gehalten,
Nicht gescheut der Feinde Haß.

Während rings das Land verheeret

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Mächt’ger Feinde wilder Trutz,

Ward dem Leidenden gewähret
In der Veste sichrer Schutz;
In ihr ruht’ von seinen Sorgen
Der vebannte Herrscher aus,

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Bis ihn bald ein schönrer Morgen

Rief in seiner Väter Haus.[2]


  1. [93] Hedwig, Tochter Herzogs Heinrich von Bayern, nach dem Tode ihres Gemahls Burkhard II. (973) verwittwete Herzogin von Schwaben, kam einst, als sie auf Hohentwiel ihren Sitz hatte, in das Kloster St. Gallen, um dort ihre Andacht zu verrichten. Der Abt Burkhard nahm sie aufs Herzlichste auf, zumal sie seine Nichte war, und wollte sie mit Geschenken beehren. Allein sie lehnte alle ab und erbat sich dafür blos, daß er ihr dafür den jungen Mönch Ekkehard, (den nachmaligen Geschichtsschreiber des Klosters St. Gallen) auf einige Zeit als Lehrer der alten Sprachen, die sie mit Eifer studirte, nach Hohentwiel mitgehen möchte, was ihr auch, wiewohl ungern, gewährt wurde. Dort räumte sie ihm ein Gemach dicht neben dem ihrigen ein. Dahin kam sie nun täglich, oft sogar bei nächtlicher Weile, in Begleitung einer Magd, um mit ihm die griechischen Classiker zu lesen, doch geschah dies immer bei offenen Thüren, um keine Verleumdung ihrer Tugend aufkommen zu lassen, [94] Hedwig, Tochter Herzogs Heinrich von Bayern, nach dem Tode ihres Gemahls Burkhard II. (973) verwittwete Herzogin von Schwaben, kam einst, als sie auf Hohentwiel ihren Sitz hatte, in das Kloster St. Gallen, um dort ihre Andacht zu verrichten. Der Abt Burkhard nahm sie aufs Herzlichste auf, zumal sie seine Nichte war, und wollte sie mit Geschenken beehren. Allein sie lehnte alle ab und erbat sich dafür blos, daß er ihr dafür den jungen Mönch Ekkehard, (den nachmaligen Geschichtsschreiber des Klosters St. Gallen) auf einige Zeit als Lehrer der alten Sprachen, die sie mit Eifer studirte, nach Hohentwiel mitgehen möchte, was ihr auch, wiewohl ungern, gewährt wurde. Dort räumte sie ihm ein Gemach dicht neben dem ihrigen ein. Dahin kam sie nun täglich, oft sogar bei nächtlicher Weile, in Begleitung einer Magd, um mit ihm die griechischen Classiker zu lesen, doch geschah dies immer bei offenen Thüren, um keine Verleumdung ihrer Tugend aufkommen zu lassen,
  2. [94] Herzog Ulrich von Schwaben 1522–31.
Empfohlene Zitierweise:
August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 1. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 91. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_091.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)