Seite:Badisches Sagenbuch 095.jpg

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Leibesfolge verstorben war, kam sie nach und nach in mancherlei Hände; setzt befindet sie sich im Besitze der Freiherren von Reischach.

In der ganzen Umgegend ist Hohenkrähen berühmt und berüchtigt wegen eines neckenden Burggespenstes, das hier sein Wesen treibt und „Poppele von Hohenkrähen“ genannt wird; wir geben von diesen Sagen, was wir erfahren konnten, und wie sie häufig im Hegau zur Unterhaltung an langen Winterabenden erzählt werden.


Poppele von Hohenkrähen.

Johann Christoph Poppelius Mayer war Schirmvogt einer verwittweten Freiin von Hohenkrähen. Von Gestalt zwar klein und schwächlich, war er dabei doch wild und unbändig und ein großer Freund von einem guten Trunke. Einst spät in der Nacht sprach ein vorbeireisender Abt mit seinem Gefolge auf Hohenkrähen ein und bat um ein Abendbrot und ein Nachtlager. Freundlich hieß ihn Poppelius willkommen; sie setzten sich zur Tafel und waren fröhlich und guter Dinge. Der Becher, und mit ihm Scherz und Witz, machte wacker die Runde, bis endlich der zu reichlich genossene Wein Zank und Hader veranlaßte. Auf einen groben Spaß des Schirmvogtes erwiederte der Abt, er solle sich doch nur nicht mit seiner Stärke brüsten; er gleiche ja leibhaftig dem dürren Knochenmanne selbst und könne wohl durch ein Nadelöhr gezogen werden. Ueber diesen Schimpf aufgebracht, sprang Poppelius von der Tafel auf und befahl, das wohlbeleibte Pfäfflein in das unterste Verließ der Burg zu werfen und es bei Wasser und Brod so lange darin gefangen zu halten, bis auch es so mager geworden sey, daß man es durch ein Nadelöhr ziehen könne.

So geschah es auch und der Abt wurde nicht eher seiner Haft entlassen, als bis er an Umfang bedeutend abgenommen und so mager und dünn wie Poppelius geworden war.

Der Abt aber machte sich voll Ingrimms davon und sann zu Hause unabläßig auf Rache und Wiedervergeltung. Endlich fand er in der Klosterbibliothek ein Zauberbuch und verfluchte mittelst den darin enthaltenen Beschwörungsformeln den Ritter

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August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 1. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 95. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_095.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)