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Kaum waren diese Worte über Landolphs Lippen, als es, wie mit Geisterhand, an der Pforte der Gerichtshalle pochte. Die Anwesenden überlief ein kalter Schauer, nur Fridolin blickte ruhig und vertrauensvoll nach der Thüre, die sich langsam öffnete. Und herein schritt Urso, umwallt von seinem langen Todtengewande, mit bleichen marmorstarren Zügen, doch bald belebte sich sein Auge und der farblose Mund erschloß sich zum Reden.

„Wehe dir, Bruder!“ – rief der Todte mit hohler dumpfer Stimme dem bebenden Landolph zu – „Wehe dir, daß du die Ruhe meines Grabes gestört hast, und dreimal Wehe dir ob des Frevels, den du ausüben willst am Eigenthume des Herrn aller Herrn. Mit deiner eigenen Bewilligung habe ich dem Kloster Fridolins meine Besitzungen geschenkt und ach! dennoch muß ich heute zeugen gegen dich. Der Richter entscheide nun!“

Landolph warf sich auf die Kniee. „Auch mein Eigenthum will ich nun der Kirche schenken“ – rief er mit reuzerknirschtem Herzen – „und mein Leben unter Fridolins Gehorsam in einer Klosterzelle beschließen.“

Da lächelte der Verstorbene zufrieden und verschwand. Landolph aber trat wie er gelobt hatte.

Aloys Schreiber.


Dieselbe Sage in metrischer Fassung:
St. Fridolin und der Todte.

Fridolin, der fromme Schotte,
Trat vor Landolf hin, den Grafen,
Sprach: „Was Gottes ist, gib Gotte!
Ist dein Bruder nicht entschlafen?

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„Der zu seiner Seele Frieden

Meinem heil’gen Gotteshause
Gut und Habe zubeschieden,
Liegt zu Glaris in der Klause.

„Warum erndtest du die Felder,

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Die dem Herrn zu schneiden wären?
Empfohlene Zitierweise:
August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagenbuch 1. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 168. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_168.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)