Seite:Badisches Sagenbuch 228.jpg

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des Mahles. Mit Schauder und Grauen gedachte sie des Gastes, der heute wieder in die Burg gekommen. „Es ist kein gutes Zeichen,“ waren ihre Gedanken, „daß Dieser wieder eingesprochen. Wolle Gott nur Böses verhüten!“ – Ruprecht trat zu ihr und befahl, das Essen aufzutragen, worauf er sofort in den Burghof hinunter eilte, und sechs seiner handfestesten Leute zusammen rief. „In einer halben Stunde seyd bereit, wohlbewaffnet und im Sattel!“ war sein Befehl. „Und damit euch der Muth nicht fehle, findet ihr auf Eurer Stube zwei Flaschen für den Mann.“

Adelgunde wurde von ihrem Bruder mit ungeschwisterlicher Strenge genöthigt, bei Tische zu erscheinen.

„Laßt Euch lang’ nicht sehen, Fräulein!“ redete mit rauher Stimme der Steinegger sie an. „Erlaubt auf Eure Gesundheit zu trinken, herzliebste Braut!“ fuhr er fort, und leerte unmanierlich einen beträchtlichen Becher.

„Ich danke Euch, Herr,“ entgegnete Adelgunde mit niedergesenktem Blicke. „Doch mögt Ihr künftig Euch des Gelüstes enthalten, mich Eure Braut zu heißen.“

Mit finsterer Miene heftete der Bruder seine Augen verweisend auf die Schwester: „Ich hab’s ihn geheißen!“ fuhr er sie barsch an.

„Bruder, Bruder, also doch!“ flehte das Mädchen. „Du verhandelst das Leben deiner Schwester, ihr Glück, ihre Ruhe, um dir den guten Willen eines Menschen zu erkaufen. –“

„Hoho!“ lachte der Steinegger auf, „meine Sachen stehen nicht grün. Aber nicht wahr, hold’ Liebchen, die Zeit bringt Rosen?“

„Ja, ja, deren Dornen mir das Herz durchbohren werden!“ fügte das Fräulein seufzend bei.

Der derbe Gast bemühte sich, Adelgundens Hand zu ergreifen:

„Wenn Ihr einmal auf meinem Felsenneste thront, wird es Euch schon behaglich dünken; nur Muth gefaßt! Ihr könnt von dort in das Wiesenthal hinab lugen und hundert schöne Dinge beschauen, oder zur Kurzweil die Storcheneier auf dem Kirchthurm zu Schopfheim durch das Fernglas zählen, das mir vorige Woche, zwar unfreiwillig, ein Reisender geschenkt hat.“

Empfohlene Zitierweise:
August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 1. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 228. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_228.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)