Seite:Badisches Sagenbuch 229.jpg

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Vielleicht hätte der Steinegger noch lange seine rohe, verwundende Sprache fortgeführt; aber als eben die Glocke sieben Mal anschlug, stund der Bärenfelser rasch auf und ging schweigend hinaus, seinem Mitgenossen nachwinkend.

Wie von einem Gespenste verfolgt, verließ Adelgunde nun ebenfalls das Gemach, und flüchtete sich in ihre stille, einsame Kammer. Dort warf sie sich auf die Kniee und betete lange und inbrünstig. Sie hörte noch das Niederrasseln der Zugbrücke und wie sich eine Schaar Reiter entfernte. „Bewahre seine Hände vor Unthat!“ rief sie zum reinen Himmel hinauf.

Die Burg Bärenfels hatte unter Anderem auch einen Thurm, dessen grausenvollste Gemächer tief in der Erde sich befanden. Kaum schlichen die unheimlichen Windzüge der Mitternacht durch des Schloßhofs Räume, als eine weibliche Gestalt schnell und leise aus der Hausthür trat, und sich nach der Seite bewegte, auf welcher der Thurm sein schwarzes Dach zeigte. Alle Mannschaft der befestigten Burg hatte sich bereits dem Schlafe übergeben; nur vor der Kerkerthüre, die zunächst der Zugbrücke war, schritt die Schildwache auf und ab. Ehe diese ihr: „Wer da!“ rufen konnte, flüsterte eine Stimme: „Sey ruhig, Burkhard!“ Der Wächter schien die Sprache zu kennen und die Gestalt, welche auf ihn zukam; denn er blieb stille stehen. „Adelgunde!“ rief er ganz leise, als das Mädchen nahe an ihn heran trat, „was gedenkst du hier zu thun, in der Stunde der Mitternacht?“ – Burkhard, der frühe Waise geworden, war ein naher Verwandter des Bärenfels; wiewohl arm und ohne Stammschloß, bewahrte der rechtliche Jüngling ein kostbares Kleinod: ein reines Herz. Adelgunde, mehr die Tugend liebend, als das Gold, erkannte in dem heiteren Jugendgenossen den würdigsten Freund, dem sie heimlich ihre volle Neigung geschenkt, ja, den sie aufrichtig liebte, obgleich ihr Bruder ihn zu so niederem Dienste anhielt.

„Schmachtet nicht seit etlichen Stunden eine Unglückliche da drunten, mein Freund ?“ fragte leise das Mädchen.

„Es ist so!“

„Ach Gott, so hat mein Auge mich nicht getäuscht!“ seufzte Adelgunde.

„Und was willst du thun?“

Empfohlene Zitierweise:
August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 1. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 229. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_229.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)