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Doch wenn die goldne Sonne war
Tief hinterm Wald verschwunden;
Wenn leis’ heran die Dämmrung kam
Und sich ihr Schleier wundersam

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Um Berg und Thal gewunden:


Da ging das tollste Leben los
Im Klosterraume drüben;
Da klangen Lieder, frech genug,
Die nicht das strenge Ordensbuch

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Den Schwestern vorgeschrieben.


Die Eine war dem Knaben hold,
Der täglich auf den Rasen
Am Bühle seine Heerde trieb,
Und seinem frommen Schatz zu lieb

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Manch süßes Lied geblasen.


Spät in des Abends Dämmerschein,
Da schlich sie sich vermessend,
Zum trauten Buhlen heimlich sacht,
In der verschwiegnen stillen Nacht

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Des Bußgelübds vergessend.


Die Andre war dem Jäger hold,
Der Abends auf dem Anstand
Dem Wilde lauscht’ am grünen Wald,
Doch in des Nönnchens Zelle bald

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Der Minne tiefste Bahn fand.


Zu Andern schlich sich insgeheim
Vom nachbarlichen Kloster
Manch’ Mönchlein rund in’s Kämmerlein,
Und raubte s’Rosenkränzelein

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Und wurde Pater noster.


Da hat des Himmels Zorn geweckt
Der Nonnen freches Sinnen:
Er schleuderte vom Wolkensitz

Empfohlene Zitierweise:
August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 1. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 238. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_238.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)