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Sie stehn, ein Bild der Schwestertreu,
Wenn Donner kracht,

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Furchtlos in Lieb’ und heil’ger Scheu

Vereint voll starker Macht.

Wer aber malt des Vaters Schmerz?
Und wer die Qual,
Die scharf das treue Mutterherz

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Verzehrt wie glüh’nder Strahl?


Die Lüfte wehn Jahrhundert’ fort
Durch Flur und Kluft,
Noch steh’n, im Sonnenlichte dort
Neun Linden hehr im Duft.

Eduard Lynker.


Die Katharinakapelle.[1]

Wie sie weithin um sich schauet,
Einer hohen Fürstin gleich;
Frühe, wenn der Morgen grauet,
Bis der Abendhimmel thauet,

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Auf ihr großes, schönes Reich! –


Aber nicht mit Freudeblicken
Läßt ihr Auge sich herab;
Wo sich stolz die Reben schmücken,
Aehren sich an Aehren drücken –

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Denn ihr Volk fiel treulos ab!


Nimmer zieht’s in Gottes Namen
Hin vor ihren Felsenthron;
Denn die Frommen, die einst kamen,
Beten jenseits längst ihr Amen,

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Und die Andacht ist entfloh’n.


Keiner will sie ehrend schützen,
Niemand schmükt mehr ihr Gewand;
Unter Stürmen, Donner, Blitzen,


  1. Früher zahlreich besuchtes Wallfahrtskirchlein auf einem der drei höchsten Gipfel des Kaiserstuhles, 1564 Fuß über dem Meere.
Empfohlene Zitierweise:
August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagenbuch 1. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 278. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_278.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)