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sprudelte ein Brünnlein und seine krystallhellen Wellen rauschten lustig von dannen. „Von diesem Wasser will ich trinken; mit eigner Hand will ich schöpfen aus des Brünnleins Tiefe !“ rief das Fräulein von Landeck, und die Sänfte mußte stillhalten. Im Aussteigen begriffen, hielt das Fräulein wieder an: „Daß meine Schuhe nicht beschmutzt werden, hole man so viele Brote aus dem Wagen, als nöthig, einen Pfad bis zur Quelle zu bereiten, darauf ich unbeschädigt gehen kann.“

Ob diesem Befehl erbebten die Edelknaben. Schweigend sahen sie einander an. Endlich erlaubte sich Einer zu entgegnen: „Aber Fräulein, bedenket doch die schwere Sünde!“ – „Wer wagt es, meine Befehle und Wünsche nur saumselig oder gar nicht erfüllen zu wollen!“ schrie zornig das Fräulein. „Seid ihr so gezogen? Ich will andere Zucht unter euch bringen! Schnell meinen Willen vollführt, wenn euch meine Gnade bleiben soll!“

Etliche von den Dienern schafften die Brote aus dem Wagen. Beim Anblick derselben erhob die bettelnde Menge ein wildes Freudengeschrei. Als aber die Armen sahen, wie die Brote in den Koth gelegt, statt ihnen ausgetheilt wurden, und wie das Fräulein darüber hin zu dem Brünnlein wandelte, schrieen Alle: „Gott möge diesen Frevel rächen!“

Drei Mal hatte sich Brigitte hinunter gebeugt, drei Mal getrunken aus dem silbernen Becher – noch einmal beugte sie sich nieder. – Siehe, da wich der Boden unter ihren Füßen, öffnete sich, und mit einem entsetzlichen Schrei war das Fräulein von Landeck verschwunden aus dem Reiche der Lebendigen.

Angst, Schrecken, eine unbeschreibliche Furcht, wie jedes Mal, wenn der Allmächtige in sichtbaren Zeichen vorüber zieht, kam über die ganze zuschauende Menge. In wilder Unordnung stürzten die Einen da, die Andern dorthinaus. Niemand, selbst der rohste und frechste Mensch nicht, wagte es, vom Brot oder Wein etwas zu nehmen. Einige der Leute von Landeck sammelten sich endlich wieder, hoben die zertretenen Brote auf und wandten um nach ihrer Burg. Die Edelknaben von Sponeck spornten ihre Rosse und im schnellsten Galopp eilten sie mit der Schreckensbotschaft nach der Burg des Bräutigams.

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August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagenbuch 1. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 286. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_286.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)