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O mach’ die Bande mit geringer,

Daß ich von dieses Thurmes Brüstung
Vielleicht die Kämpfer in der Rüstung,
Die Hengste sehe auf der Bahn.

„Hab Dank, gestrenger Eisenmeister!

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Daß du es menschlich mit mit meinst;

Dank, Sonne, daß du Lebensgeister
Mir in die finstre Seele scheinst!
Dank, alter Rhein, du weitgereister,
Daß du mit deinen regen Fluthen

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In meine Wunden, welche bluten,

In meine Heldenthränen weinst!

„O Lenz, wie bist du schön geworden,
Als hätt’ ich dich noch nie geschaut!
Du schlingst um diese Felsenpforten

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Sogar den Blüthenarm vertraut;

O Maienzweig! Wenn sie mich morden
Und peinigen, umschlingst du Diesen,
Der in den feuchten Thurmverließen
Beinah schon über Nacht ergraut?

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„O goldnes Abendlicht hier innen,

Du schmeichelst noch dem armen Mann!
Geh, lege dich um jene Zinnen,
Wo mich die Gräfin liebgewann!
Dort sitzt sie in verlornem Sinnen;

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Geh, spiegle dich in ihrem Grame,

Wie einst im Hochzeitschmuck der Dame
In der berauschten Burg zu Thann!

„Du aber, Vöglein in dem Riede,
Du schlage fort zur Abendzeit,

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Und zieh mit deinem Minneliede

Den Bach hinab, wo manche Maid
Ihr schönes Kränzlein hoffnungsmüde
Hinabwirft aus den losen Haaren,
Und ruf’ ihr im Vorüberfahren:

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Dein Schatz ist fort, wer weiß wie weit!
Empfohlene Zitierweise:
August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagenbuch 1. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 307. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_307.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)