Seite:Badisches Sagenbuch 328.jpg

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ihm ein und machten ihn fröhlich im Gemüth – friedlich wenigstens; so daß er den Nagel einem Spatzen nachschmiß, den Strick in den Hof, den Hammer behielt er; warum? er war jetzo nicht mehr gefährlich; und auf einmal saß der Müller da und las in den alten Büchern und schaffte sich die Grillen aus dem Kopfe; und dergestalt hatte er’s seither vielmals praktizirt. Die Hurrle gab ihm Ursach genug, Gott soll’s wissen!

Sitzt er also eines Abends – im Sommer war’s, und ein starkes Hausdonnerwetter kaum vorüber – wiederum in der Dachkammer und liest in einem alten Buch; es hielt noch kaum zusammen, das Unglücksding, und ältelte wie ein versporter Kirchenfahnen – und schier die Augen aus dem Kopfe liest sich der Müller, und weil’s zu dunkeln anfing, packt er das Buch unter den Arm und schlupft damit hinüber zum Kronenwirth. Selbiger Jakob war eben ein Strohwittwer; denn seine Demuth war mit ihrem ältesten Kind zu ihren Eltern gefahren. Der Vater oder die Mutter war krank. Die Demuth machte durch ihren Besuch, Rath und Zuspruch gleich gesund, wer krank lag, denn wo sie war, war auch das Heil. Wo sie aber nicht war, da kam das Unheil. So geschah’s in der Krone dazumal in Kandern.

Der Müller sprach zum Wirth, der in der Schenk im Lehnstuhl doste – in der vorigen Nacht war Tanzmusik bei ihm gewesen und seine Morgenruhe hatte nicht viel geheißen: „Jakob! paß auf. Da hab’ ich ein Buch gefunden mit schönen Helgen und Historien. Wir wollen uns damit die Zeit vertreiben; denn heut kommt Niemand mehr zu dir, weil alle Leute draußen beim Schießen sind. Für mich habe ich heute schon genug Feuer im Hause gehabt, und du machst mir ebenfalls nicht Augen wie ein Scharfschütz.“ – Statt aller Antwort zeigte ihm der Kronenwirth den Stuhl neben ihm und langte ihm einen großen Stamper mit Wein. Denn er war freigebig gegen Jedermann. Dabei vergaß er sich selber nicht, und selbige Nacht sollen die Freunde wacker gezecht haben und selbander ganz allein. – In dem Buch war aber eine recht satanische Geschichte von einem alten heidnischen Edelmann in Engelland, der einen Tugendspiegel von einer Frau hatte, und dieselbe als ein rechter Ketzer und Antichrist bis auf’s Blut gepeinigt hat, nur

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August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagenbuch 1. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 328. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_328.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)