Seite:Badisches Sagenbuch 401.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

allmälig seine Furcht ab. Auffallend war es, daß sie stets über eine gewisse Stelle nahe bei den Mauern hinging, einige Augenblicke wie sinnend dort verweilte, und dann sich wieder schnell entfernte. Eines Tages dachte der Knabe, er wolle doch nachsehen, was es mit diesem Stillstehen für eine Bewandtniß habe, merkte sich den Ort und ging nach einiger Zeit daselbst hin. Sieh, da schien ihm etwas aus dem Grase wie eine große Silbermünze entgegen zu glänzen, schnell bückte er sich nieder und hatte einen halben Thaler aus den Schwedenzeiten in der Hand. Hocherfreut und zugleich neugierig wühlte er mit seinem Stabe die Erde ein wenig auf, und es kam noch ein zweites und ein drittes Stück zum Vorschein. Schon wollte er, der noch nie so viel Geld beisammen gehabt hatte, voll Entzücken aufjauchzen, aber was sah er, als er seinen Kopf emporhob? Das Burgfräulein, wie es leibte und lebte, dicht vor ihm. Freundlich lächelnd sah es seiner Arbeit zu, legte aber, als er aufschaute, zwei Finger auf den Mund und verschwand. Der arme Kleine war wie versteinert, denn so nahe stand sie noch nie vor ihm, und selbst der alte Segen, den er geschwind hermurmeln wollte: „Alle gute Geister u. s. w.“ blieb ihm im Munde stecken. Er wußte nun nichts Angelegentlicheres als auch schnell fort zu gehen, und wagte es noch lange nicht, in die Tasche zu greifen, weil er gelöschte, oder gar noch glimmende Kohlen, wie es sonst geschieht, hervor zu ziehen besorgte. Als er endlich mit aller Vorsicht die Untersuchung anstellte, so fand er, daß die Stücke richtig Silber geblieben seyen, und verwahrte sie nun sorgfältig, um sie am nächsten Markttage nach Freiburg zu bringen und auszuwechseln. Sie kamen in die Hände des Alterthumsfreundes, welcher dieses Märchen erzählt, und in diesen Münzen einen schlagenden Beweis für die Wahrheit desselben vorlegen kann.

Der Knabe kam ganz glücklich nach Hause und wußte kaum, wo er seinen Schatz unterbringen sollte. Um so bereitwilliger trieb er jezt seine Heerde auf die Weide und verweilte Tage lang bei dem alten Schlosse, aber so oft er auch über seine Büchelchen nach den Mauern hinschielte, so war es doch lange vergebens. Man könnte freilich sagen, er hätte nur an der ihm wohlbekannten Stelle nachgraben sollen, aber damit hatte es

Empfohlene Zitierweise:
August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagenbuch 1. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 401. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_401.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)