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Von Block zu Block, von Fels zu Felsgerölle.
Du trinkst aus ihr, anstatt Vergeßlichkeit,
Nur frisches Kraftgefühl und Fröhlichkeit,

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Und köstlich runden dir aus ihren Wellen

Zum goldnen Wein die zierlichen Forellen.

Denn einen Wirth, wie den im Höllenthal,
Wirst du im Paradies vergeblich suchen.
Bei seiner Küche auserlesnem Mahl

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Gewiß nicht deinem Pilgerloose fluchen;[1]

Sein Traubennektar vom Markgräflergau
Verklärt die Hölle dir zur Himmelsau,
Und statt der Herrn oder Teufelinnen
Siehst du nur rosige Schwarzwälderinnen.

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Und lächelt dir ein solcher Engel zu,

Möchst du wohl kaum die Hölle mehr verlassen,
Und lieber in zweisiedlerischer Ruh
Mit ihm dich nisten in die Felsenmassen;
Fern von der Welt verwirrendem Gewühl,

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In einer Hütte traulichem Asyl,

Des Tannenwalds, des Wasserfalles Rauschen,
Den Hirschlein, Reh’n und wilden Tauben lauschen.

Doch brich nun ab dein träumerisches Zelt,
Hier sollst du deinen Wanderstab nicht pflanzen!

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Zu neuem Zauber lockt des Feldbergs Welt,

Hinauf die Steig, vorbei die Kriegerschanzen![2]
Entstiegen bist du heil der dunklen Kluft,
Und wiegst dich frisch in freier Höhen Luft;
Wer kühn bestand der Höllen Abenteuer

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Hat nicht zu fürchten mehr das Fegefeuer.
A. Schzlr.

¹) Der reizende Theil des Dreisamthales, der sich, drei Stunden östlich von Freiburg, an den Vorbergen des Schwarzwaldes noch in ansehnlicher Breite dahin zieht, heißt das Himmelreich; dem Strome hinaufwerts folgend tritt man aber plötzlich aus dem gartenähnlichen Lustgefilde durch ein hohes Felsenthor, welches das Thal zu verschließen scheint, in den durch Moreau’s kühnen Rückzug (1796) berühmten Gebirgspaß, die Hölle genannt. Auf beiden Seiten des wild daher brausenden Baches starren uns himmelhohe Klippen, mit spärlichen Tannen


  1. [407] Diese von ausfluglustigen Breisgauern und Fremden zahlreich besuchte Höllenwirthschaft ist das Gasthaus zum Sternen im hintersten Theile des Thales, hart an der Steige, die hinauf sich die Poststraße nach Neustadt windet; der treffliche Markgräflerwein und die unvergleichlichen Forellen, die man hier aufgetragen erhält, machen alle Schauer dieser Hölle leicht vergessen. Nahe daran bildet der von Breitnau her zwischen ungeheuren Granitblöcken sich die Bahn brechende Ravennenbach einige höchst malerische Fälle.
  2. [407] Auf der Steige kommt man an den Ueberresten der Verschanzungen vorbei, welche in den ersten Monaten des Jahres 1814 von den Alliirten hier angelegt wurden, als es noch ungewiß war, ob der große Zauberer Napoleon nicht wieder ein frisches Bündniß mit dem Glück oder Teufel schließen und einst seine Heerschaaren hier durch wieder in das Herz Deutschlands führen werde. Auf der Höhe der Höllensteig angelangt, genießt man wieder freie Aussicht auf die umliegenden Berge, unter denen des Feldbergs ehrwürdiges Haupt, selten oder kaum einen Monat im Jahr ohne weiße Schneelocke, sich rechts neben uns erhebt. Südlich von der Straße im „Moos“ ragt die rothe Kuppel des Thurms von Hinterzarten empor, dessen Kirchspiel weit zerstreut, ober- und unterhalb der Steig und um den Fuß des Feldbergs herum liegt. Hinterzarten soll ehedem „in der Zärte,“ nämlich in der zarten Jungfrau Haus geheißen haben, von einem Marienbilde, das zuerst daselbst aufgestellt wurde. Hier oben haben wir nun schon den eigentlichen tieferen Schwarzwald betreten.
Empfohlene Zitierweise:
August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagenbuch 1. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 406. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_406.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)