Seite:Badisches Sagenbuch 440.jpg

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in der Umgegend unter dem Namen „Kolmen-Wible“ bekannt. Dieses räthselhafte Wesen sei, wie Diejenigen, welche ihm zufällig begegneten, es beschreiben, von kleiner, gedrungener Gestalt, habe ein Grechsle oder Hutte (Tragkorb) auf dem Rücken und einen langen Stock in der Hand; die Kleidertracht sei jene der Bewohner des Thales von St. Märgen: kurze Jüppe (Rock) mit dreifarbiger unten vorstehender sogenannter B’lege. –

Das Kolmenweibchen treibt verschiedenartigen Spuck; folgender Vorfall ist aus neuerer Zeit.

An einem Spätherbstmorgen ritt der Obervogt von Neustadt quer über den Kolmen in das Schollacher Thal. Er hatte lederne Handschuhe an. Um bequemer eine Prise Taback aus der Dose nehmen zu können, zieht er den einen aus und will ihn unter dem linken Arm festhalten; er entfällt ihm jedoch und schon ist er Willens vom Pferd zu steigen, als er vom nahen Waldrand eine kleine weibliche Person bis auf etwa fünfzehn Schritte eilig auf ihn zukommen sieht. Der Obervogt ruft: „He Weible, sei so gut und hebe mir gegen eine Belohnung meinen Handschuh auf!“ Dieses bleibt jedoch, beide Hände auf den Stock gestützt und auf diese das Kinn legend, unbeweglich und starr ihn anblickend, stehen. Der Obervogt, in der Meinung, das Weibchen höre nicht gut, ruft wiederholt und stärker und langt zugleich ein Geldstück aus der Tasche, das er als Belohnung verspricht. Als aber das Weiblein nach wie vor unbeweglich stehen bleibt, ruft ihm der Reiter verdrießlich zu: „ich glaubte dich nicht so reich, daß du den kleinen Dienst nicht um ein Sechskreuzerstück mir thun könntest!“ und begleitete diese


schwören und geloben, seine Hofstätte nie mehr zu verlassen, außer um in einer nahen Kapelle zu beten (1564). – Auch erholte sich die nämliche Stadt bei Rechtsgelehrten und Jesuiten Rathes, wenn die Inquisiten zu leugnen pflegten, und wurde zu ihren Untersuchungen durch Geständnisse aus anderen Städten aufgefordert, z. B. von Hüfingen, 1632. – Auf dem Lande kamen natürlich solche Hinrichtungen selten vor, da die Opfer des Wahnglaubens meist in den Städten von ihrem Schicksal ereilt wurden; auch war, im 17. Jahrhundert wenigstens, meistens das Bekenntniß grober Verbrechen das Ende des Prozesses. Die letzte Hinrichtung geschah wohl zu Donaueschingen an einem fünfzehnjährigen Knaben, der des Bündnisses mit dem Satan und der Giftmischerei angeklagt war, durch das Schwert, im Jahr 1719.

(Vergleiche Universallexikon von Baden, die Artikel „Baar“ und „Fürstenbergische Landesgeschichte.“)
Empfohlene Zitierweise:
August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 1. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 440. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_440.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)