Seite:Berens Geschichte der Berens in Riga 1812 002.png

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Zeiten, bei übrigens gesundem und starkem Körperbaue, fast aller Geisteskräfte beraubten. Von mir selbst muß ich noch eines körperlichen Zufalls, aus meiner frühesten Jugend, erwähnen, der vielleicht auf meinen Geist einigen Einfluß gehabt. Als ich nehmlich ein Knabe von 8 bis 9 Jahren war, half ich im Herbst, bei einer häuslichen Verrichtung, meinen ältern Schwestern, und mußte dazu öfters in einen tiefen Keller, dessen Thüre oben im Speisesaal sich öffnete, hinuntergehen. Diese Bewegung mochte ich mir nun aus Lust oder Unartigkeit zu viel machen, und man schloß deswegen, unvorsichtiger Weise, die Thür oben zu. Da ich nun wieder in dem Keller war, und hinaufging, klopfte ich, auf der obersten Stufe stehend, mit Gewalt an die verschlossene Thüre, verlor dabei das Uebergewicht, und fiel rücklings 21 steinerne Stufen hinab auf den Kopf. Daß ich hierbei nicht auf der Stelle den Tod fand, mochte durch einige Säcke mit Kohl, die unten auf dem Boden lagen, wohl bewirkt worden seyn; aber mit einer schweren Verwundung am Kopfe, wobei der Hirnschädel verletzt war, brachte man mich für todt aus dem Keller herauf. Indeß wurde ich wiederum aufgeweckt, und nach einem starken Blutverluste wurde, nach einiger Zeit, meine Heilung bewirkt, und ich genas gänzlich; doch behielt ich an der verwundeten Stelle eine starke Narbe mit einer zarten Empfindung, die in spätern Jahren in kleinern und größern Geschwülsten, wohl bis zu einem Hünerei groß, sich einstellte, welche dann ausschworen, und sich wieder einfanden, auch wechselweise mit heftigem Herzklopfen (palpitatio cordis), öfters bis zu starken Ohmachten, Jahrelang abwechselten. Diese Zufälle empfinde ich nun schon seit vielen Jahren nicht mehr, aber statt ihrer zu halben und ganzen Jahren, gleichsam eine Abwesenheit meiner Geisteskräfte, so daß ich, alles Denkvermögens beraubt, keines Gebrauchs meiner körperlichen Kräfte fähig war, folglich ganz nur vegetirend, bei einem sonst gesunden Körper, lebte. Dieser sonderbare Zustand hatte zuletzt zwei volle Jahre gedauert, als ich, mit einemmale gleichsam aus diesem Geistesschlaf erweckt, und mit gesammelten und sehr gestärkten Kräften des Leibes und der Seele, der größten Würksamkeit wieder fähig wurde. Wer von meinen Kollegen in der psychologischen Medicin kann mir sagen, was jener Fall auf den Kopf für Würkung auf

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Reinhold Berens: Geschichte der Berens in Riga. Riga: Julius Conrad Daniel Müller, 1812, Seite 2. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Berens_Geschichte_der_Berens_in_Riga_1812_002.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)