Seite:Berens Geschichte der Berens in Riga 1812 016.png

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

leiden mußten, da wir hier unter der russischen, wohlthätigen Regierung von dergleichen Trübsalen und äußerstem Mangel an dem Nothwendigen nie heimgesuchet wurden, schickte er eine beträchtliche Summe zum Ankauf des nothwendigen Unterhalts dahin, und gab dadurch seinem eigenen und seines kranken Sohnes Herzen, indem er eben dieses Zustandes wegen mit ihm nach Deutschland zu reisen gedachte, den schönsten Lebens- und Himmels-Balsam.

Noch weit schmerzhafter war es für seine gefühlvolle und gutdenkende Seele, was allhier die livländische Bauerschaft, in den Jahren vorher, zwischen 1771 und 1772 erdulden mußte. Das Getraide, und besonders der Roggen, war bis zum höchsten Preise, oder an 100 Reichsthaler und drüber für die Last, gestiegen, welches zwar den Ackerbau aufs höchste beförderte, aber leider auch mit Ueberspannung und Aufreibung der Kräfte der armen Bauern verbunden war, die doch eigentlich die Reichthümer ihrer Herren und des Handels herbeizogen, und am Ende, durch die schlechte Fürsorge und Wirthschaft ihrer Herren, selbst am Brote darben mußten. Diese Landleute, die noch etwas am Gelde bespart, oder noch andere geringe Landesprodukte zu verkaufen hatten, kamen nun häufig nach der Stadt, um ihren eingenommenen[a 1] so mühselig erbauten Roggen wieder zu kaufen, und fielen nun den gierigen Roggen-Hecklern in die Hände, die sich nicht scheuten, ihnen ihre mit Schweiß und Kummer errungenen Produkte aufs theuerste, bis zu 9 und 10 Ort das Loof, zu verkaufen. Dieses war das letzte Signal für unsers guten Bruders gefühlvolles Herz. Er ließ daher im ganzen Lande bekannt machen, daß er nur der Bauernschaft für den geringsten Preis zu Einem Reichsthaler das Loof, da es nach dem Marktspreise über zwei Reichsthaler stand, doch nur zu einigen Löfen für ihre eigenen nothwendigen Bedürfnisse, von seinem ihm jetzt so werthen Vorrath austheilen wollte. Nun kamen unsere Landleute von allen, auch den weitesten Gütern, und von den reichsten Herren, und genossen dieser wohlthätigen Ankündigung, so daß einen ganzen Winter hindurch die Marstallstraße, wo unsere Brüder wohnten, gleichsam belagert ward von diesen bedürftigen Landleuten, die ihre bezahlten Anweisungen auf seinen Vorrathshäusern oder Speichern, wo der Roggen aufgeschüttet war, vorzeigten und

  1. lies: eignen.
Empfohlene Zitierweise:
Reinhold Berens: Geschichte der Berens in Riga. Riga: Julius Conrad Daniel Müller, 1812, Seite 16. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Berens_Geschichte_der_Berens_in_Riga_1812_016.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)