Seite:Braunschweig Lüneburg (Merian) 124.jpg

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dieselbe neben dem singen vnd beten / das sie haben verrichtet / in Gottesfurcht vnd löblichen Tugenden / auch im studieren / insonderheit der Lateinischen Sprache / derogestalt informiret vnd geübet worden / daß dieses Stifft Gandersheim nicht allein für ein lobwürdig Bet- vnd Gotteshauß / sondern auch gleichsam als eine hohe Schule / für Keyserl. Königl. Fräwlein / vnd andere Herren Kinder / geachtet vnd gehalten worden.

Was auch dieselbe darin proficiret / solches bezeuget vnter andern die Rosuita / eine Hertzogin zu Sachsen / welche zwar nicht Abbatissin / wie etzliche fürgeben / sondern Scholastica allhier gewesen / eine fürtreffliche Poetin / zur Zeit der Abbatissin Gerbrigae Secundae, (Hertzog Heinrichs zu Sachsen vnd Beyern Tochter) die von Erbawung dieses Stiffts Gandersheimb carmine heroico, einen herlichen tractatum, auch andere opera poëtica geschrieben / welche noch in offentlichen Truck heutiges Tags hin vnd wieder zu finden.

Insonderheit haben Sie müssen die heilige Schrifft oder Bibel / ehe dann die Truckerey auffkommen / mit leibeigener Hand / auff Pergamen oder starck Pappier schreiben / wie noch ohnlängst in Münichhausischer Bibliothec zu Oldendorff / vnter Schaumburg / eine in schwartz Sammet gebundene / zum theil mit güldenen Buchstaben auff Pergamen geschriebene Bibel / von weyland Fräwlein Sophia / Stifft Gandersheimischer Canonissin / Keyser Otten deß Andern Tochter / welche hernacher auch Abbatissin zu Gandersheim worden / sub numero 37. gezeiget.

Es sind auch noch Vrkunde vnd manuscript hin vnd wieder verhanden / darob zu sehen / daß dieses Stifft-Fräwlein / vnd fürnehmer Herren Kindere / zu jenen Zeiten nicht müssig gewesen / sondern allda gleichsam / als in einer hohen Schuel / löblich vnd wol erzogen worden.

Zur Zeit bemelter Abbatissin Gerbrigae secundae, vmb das Jahr Christi 973. ist das Stifft Gandersheim / so viel das Holtzwerck belanget / zum ersten mahl abgebrant / aber von dieser löblichen Abbatissin / welche von dem Pabst selbst ordiniret gewesen / gar herrlich zu restauriren angefangen / vnterdessen bey währender Restauration / hat Sie im Closter Beatae Mariae Virginis, im Newen Dorff Gandersheim / von ihrer nechsten Vorfrawen Abbatissin Windelgart / Anno 940. fundiret / (nunmehr bey die Universität Helmstatt gelegt) ihren Gottesdienst verrichtet / auch dahin etzliche Jungfrawen verordnet / die GOtt den HErrn Tag vnd Nachts mit beten / lesen vnd singen celebriren sollen.

Bey hundert Jahren nach dem ersten Brande / zur Abbatissin Adelheid der Andern / ist dieses Stifft zum andern mahl abgebrant / welches hernacher die Gottselige Abbatissin Fredecunda, vmbs Jahr Christi 1100. wiederumb herrlich anrichten vnd zieren lassen.

Zu der Zeit haben sich etzliche Wunderwerck bey diesem Stifft ereuget / es sind auch Lahme / Blinde / Taube / vnd andere Schwache / wie die Historien melden / miraculose gesund worden.

Bald darauff Anno 1113. ist gefolget Abbatissin Adelheit / die dritte dieses Nahmens / welche vmbs Jahr Christi 1124. das Closter Clauß fundiret / vnd mit dem Gehöltze dabey / auch andern Gütern / Zehent vnd Meyerhöfen stattlich dotiret vnd begabet hat.

Danechst bey Zeiten Adelheit der vierten dieses Nahmens / so in der Ordnung die siebenzehende Abbatissin gewesen / ist das Stifft Gandersheim vmbs Jahr 1160. zum dritten mahl abgebrant / vnd von deroselben Abbatissin Adelheit repariret / hernacher in praesens fünff Bischoffen / wiederumb consecriret vnd geweihet worden. Die Capellen dabey sind von guthertzigen Leuten / in vnd ausser der Statt / gestifftet / vnd confirmationes, auch indulgentiam zu Rom darob erlanget.

Als auch die Bischoffe zu Hildesheim in wiederauffbawung dieses Stiffts / Zustewer gethan / zu weilen auch im Nahmen deß Pabsts / ein vnd andere Abbatissinne zu Gandersheim ordiniret vnd confirmiret haben / wiewol etzliche Abbatissinne von denen Bischoffen zu Hildesheim / vmb

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Matthäus Merian: Topographia Braunschweig Lüneburg. Frankfurter Kunstverein, Frankfurt am Mayn 1654/1658, Seite 87. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Braunschweig_L%C3%BCneburg_(Merian)_124.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)