Seite:Braunschweig Lüneburg (Merian) 305.jpg

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Stiege.

Das Gräfliche Blanckenburgische Schloß Stiege / oder vielmehr Steige / hat den Nahmen von steigen / es ist vor Alters ein Jagthauß gewesen / vnd der Jägersteig genant. Hernach aber / da etzliche von den Herren Grafen zu Blanckenburg vnd Reinstein allda beginnen Hoff zu halten / erweitert / befestiget / vnd zu einer Gräfl. Residentz aptiret worden. Es liget in einer lustigen vnd gesunden Pflege / zwey Meilen von Blanckenburg / vnd wann man von dannen nacher Stollberg reiset / auff halben Wege; So gibet es auch in diesem Orte wegen der vnterschiedlichen Teiche vnd Flüsse / an Fischen / Vogeln / Feder- vnd anderm Wildprät gute Schnabelweide. Daher Graff Bodo zu Blanckenburg vnd Reinstein / wohllöbl. Andenckens / daselbst residiret / sich in den Ort also verliebet / daß Er diesen Reimen zum öfftern im Munde geführet:

Eher ick wolte verlaten minen leven Stiech /
Wolte ick verlaten minen Edlen Lieff.

Inmassen dann auch drey Gräffl. Gn. diesen Reimen wahr gemachet / vnd daselbst diß Zeitliche beschlossen.


Stoltzenau.

Ein Ampthauß vnd Flecken / zu der Ober-Graffschafft Hoya gehörig / liget nähest an dem Weserstrom / an einem fruchtbaren / lustigen vnd gesunden Orte. Wie alte geschriebene Chroniken melden / hat dasselbe im Jahr 1346. als Ludovicus, Hertzog Otten zu Lüneburg Sohn / Bischoff zu Minden / an der Zahl der neun vnd dreissigste gewesen / seinen Anfang genommen / durch folgende Gelegenheit: Es hatte Bischoff Wilhelm zu Minden im Jahr 1242. ein new Hauß zwischen der Stoltzenau vnd Liebenau gebawet / davon noch jetziger Zeit die rudera zu sehen / vnd eine gewaltige Festung gewesen seyn soll. Dasselbe haben Graff Johan vnd Gerhard zur Hoya eingenommen / zu grunde abgebrochen / vnd die Liebenau darauß gebawet. Damit aber Bischoff Ludwig sich dagegen verwahren möchte / hat er die Schlüsselburg / welches Hauß zum Fürstenthumb Minden gehörig / erbawet.

Wolgedachte Grafen von der Hoya / seyn zwar in dessen mit allerhand Gereitschafften die Weser hinauff geschiffet / in Meynung / an eben demselben Orte / da die Schlüsselburg geleget ward / eine Festung zu bawen / weil Sie aber gesehen / daß der Bischoff allbereit mit dem Baw im Wercke begriffen gewesen / haben sie sich gewendet / vnd nicht weit davon die Stoltzenau gebawet.

Das Gebäw an ihm selbsten ist in vier Ecken / etwas in die länge gesetzet / mit auß dem Grunde von Quadersteinen auffgeführten Graben / auch schönen Wällen / vnd zwey starcken Rondelen vmbgeben vnd befestiget gewesen / aber bey dem leidigen Krieges Vnwesen alles herunter gerissen / verderbet vnd verwüstet.

Anno 1625. ist diese Vestung durch die Königl. Dennemärckische Armee zu erst eingenommen / aber von dem Keyserl. General Graff Tilly bald darauff wieder erobert / vnd folgends von einer Parthey nach der andern überwältiget / vnd besetzet worden / dabey die Gebäwe allgemach herunter genommen / biß endlich die Vestung in anno 1635. gar niedergerissen / die darauff verhandene Stücke / Munition vnd Rüstung nacher Minden gebracht / vnd dadurch die Gebäwe noch mehr in Abgang kommen.

In dem Flecken daselbst hat es zween Adeliche Sitze / nebenst andern verschiedenen

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Matthäus Merian: Topographia Braunschweig Lüneburg. Frankfurter Kunstverein, Frankfurt am Mayn 1654/1658, Seite 192. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Braunschweig_L%C3%BCneburg_(Merian)_305.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)