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Marmor, Glas und Alabaster,

Erze, Silber, Gold und Bronze,

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Die Metalle und Kristalle

Sprechen, was der Meister wollte.

„Reich ist, Jungfrau, wohl dein Vater,
Der dir all dies Gut erworben?
Solchen Reichtum zu betrachten,

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Ist mir früher nie geworden.“ –


„Nur der Welt gehört dies alles,“
Spricht Biondetta, „aber folge
Jetzt mir auch zum eigenen Schatze,
Den ich selber mir erworben.

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Trete in die enge Kammer,

Sieh mein Bett von trocknem Moose,
Wo ich mit dem Licht erwache,
Mit der Schwalbe Gott zu loben.

Vor dem Fenster schwebt ein Garten

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Auf der alten Mauerkrone,

Wo zwei süße Nachtigallen
Meine Lieder wiederholen.

Aber deine Augen fragen,
Was das Tüchlein dort verborgen

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Über meinem Betstuhl halte:

Sieh, das Bildnis einer Nonne.

Schlecht ist nur das Bild gemalet,
Doch in seinen Zügen wohnet
Strenge, die mich liebreich strafet,

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Liebe, die mich ernsthaft lobet.


Heiliger als alles, alles,

Ist mir dieses Bild geworden,
Empfohlene Zitierweise:
Clemens Brentano: Romanzen vom Rosenkranz. Hrsg. von Alphons Maria von Steinle. Trier: Petrus-Verlag G.m.b.H., 1912, Seite 42. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Brentano_Romanzen_vom_Rosenkranz_042.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)