Seite:Brentano Romanzen vom Rosenkranz 063.jpg

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Mehr als durch es selbst entsetzet,
Doch ich wiederhol sie nimmer!

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Und nun trat von seiner Schwelle

Guido selbst heraus zum Bilde;
Kahl, ein Greis, in seiner Rechten
Hielt er eines Messers Klinge.

Und er sprach: Mit frecher Rede

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Habt ihr mir das Herz zerrissen!

Hat die rächende Athene
Euch, Gesellen, auch ergriffen?

Wißt, ich war in tiefster Seele
Lang ob dieser Zeit ergrimmet,

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Welche zu entblößen strebet,

Was Gott keusch verhüllt will wissen.

Dieses schändlichen Entdeckens
Strafe wollte ich hier schildern,
Und ihr treibt denselben Frevel

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Mir vor meinem züchtgen Bilde!


Doch ich folg des Herren Lehre:
Gibt dein Aug dir Ärgernisse
Reiß es aus, tritts an die Erde!
Liebes Bild, ich muß dich richten. –

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Und nun riß er mit dem Messer

Zürnend durch des Bildes Mitte,
Und zertrat mit bittren Tränen
Wild sein mühsam Werk mit Füßen.

Seiner lachten noch die Frechen,

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Dem das Liebste sie entrissen;

Das traf tief ihn in der Seele,
Und er stand in Tränen zitternd.

Empfohlene Zitierweise:
Clemens Brentano: Romanzen vom Rosenkranz. Hrsg. von Alphons Maria von Steinle. Trier: Petrus-Verlag G.m.b.H., 1912, Seite 63. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Brentano_Romanzen_vom_Rosenkranz_063.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)